Die letzten Rebblätter im Wingert vor seinem Haus liegen auf dem hartgefrorenen Schnee. Im Hintergrund thront der Falknis in den wolkenverhangenen Himmel. Es ist winterlich geworden in den letzten Tagen. Anfang der Sechzigerjahre suchten sich Hans und Anna Bantli diesen schönen und abgelegenen Fleck im Hinterbovel als Standort für ihr Haus aus. Das sonnenbegünstigte und fruchtbare «Terroir» trug als Kraftort – ähnlich wie bei den tiefverwurzelten Blauburgunder Reben – vielleicht dazu bei, dass der Jubilar heute Samstag dort seinen 100. Geburtstag feiern darf. Als Hauptgrund ortet er jedoch «Zufriedenheit und Bescheidenheit», welche ihn zeitlebens begleiteten. «Und natürlich ein seriöser Lebenswandel. Ich rauchte nicht und ging früh ins Bett, um am Morgen beizeiten und ausgeschlafen aufzustehen.» Und auch Wein trank Bantli nur mit Mass.
Apropos Wein...
«Früher hatte fast jeder Jeninser ein paar Reben und einen kleinen Torkel. Konzentrierte Grossbetriebe wie heute gab es damals noch nicht.» Er erinnert sich noch gut daran, wie man die 50-Liter-Fäs-ser auf dem mit «Gretzenbürdeli» ausgepolsterten Leiterwagen mit vorgespanntem Ochsen zum Güterschuppen in Maienfeld transportierte und von dort mit dem Zug ins Glarnerland lieferte. «50 Franken kostete ein 50-Liter-Fass.» Die damalige Qualität könne und wolle er nicht beurteilen, den Glarnern scheine der Jeninser jedenfalls jahrelang gemundet zu haben, schmunzelt der Jubilar. Nicht nur Wein- und Rebbau war im 450-Seelendorf damals verbreitet. «Die meisten Familien hatten auch ein paar Kühe, Schafe, Hühner und ein Schwein im Stall, um sich so die notwendigste Lebensgrundlage zu sichern.
Forstliche Ausbildung
Aufgewachsen ist Hans Bantli in einer einfachen Bauernfamilie zusammen mit seinen Eltern Jakob und Christina sowie seiner Schwester Anna. Auch sie hatten ein paar Reben, einen Acker und einen kleinen Torkel. Nach der Schulzeit besuchte er die Schule für Obst- und Rebbau in Rheineck, und später belegte er diverse Kurse im Forstbereich (eine Försterschule gab es damals noch nicht). Parallel dazu arbeitete er, wie schon als Schulbub, sporadisch als «Messgehilfe» bei Förster Lampert. Als dieser starb, bewarb sich Hans Bantli als Nachfolger. «Die Bewerber wurden ins Rathaus nach Maienfeld zum Gespräch vorgeladen, wo ihnen Förster Hansi Möhr – dekoriert mit einem Weiss-tannenzweig am Hut – knifflige Fragen stellte. «Auch wenn andere mit Rechnen wohl mehr punkten konnten als ich, überzeugte ihn meine Vision von Wald und Botanik offenbar am meisten.» Bantli erhielt 1944 den Zuschlag für die 50-Prozent-Stelle als Jeninser Förster. Später betrieb er am Standort des heutigen Industriequartiers im Auftrag des Kantons zusammen mit