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Maienfeld
15.02.2022

In Erinnerung an Anna Lydia Florin-Wehrli

Bild: zVg
Ja, sie war keine Frau der grossen Worte, die einstige Pfarrersfrau von Maienfeld, sondern eine Frau der Taten!

In der Altjahrwoche 2021 nahm eine grosse Trauergemeinde in der Amanduskirche von Maienfeld Abschied von Anna Lydia Florin-Wehrli, gleichsam als Spiegelbild dieser ausserge-wöhnlichen Frau und als Zeichen der Anerkennung und des stillen Dankes für ihre grosse und vielseitige Arbeit zeit ihres Lebens. Vieles, ja das Meiste von ihr geschah im Hintergrund; dafür mit entsprechend grossem Engagement und unentwegtem Einsatz für das Gute. Nach ihrer Ausbildung zur Sekundarlehrerin unterrichtete sie in Ftan, Davos und Zürich. Als spätere Pfarrersfrau war sie ihrem Ehegatten Josias und «ihrer» Gemeinde zeitlebens eine starke Stütze. Das nahm seinen Anfang bereits in seinem ersten Pfarramt im Prättigau. Fast zeitgleich wie ihr Ehemann auf der Kanzel trat sie – beinahe selbstverständlich – den Orgel- und Harmoniumdienst von Küblis und Conters an. Beim Ortswechsel nach Maienfeld zog dieser Dienst gleich mit ihr in die Bündner Herrschaft. Während rund 25 Jahre versah sie dort immer wieder diese wertvolle Aufgabe, vielfach unbemerkt vom Kirchenvolk.

So selbstverständlich Anna Lydias musikalisches Wirken auf der Kirchenempore war, so sehr lag ihr auch die Arbeit ihres Ehemannes und in der Gemeinde am Herzen. Sie verstand es vorbildlich, all diese Aufgaben zusammen mit der inzwischen gewachsenen Pfarrersfamilie unter ein Dach zu bringen. Der Lauf der Zeit öffnete ihr schliesslich Möglichkeiten für weitere Ziele. Ihr Blick galt insbesondere der sozialen Gerechtigkeit. So setzte sie sich bald einmal mit aller Kraft für die Frauenförderung im Kanton Graubünden ein. Mit uneigennützigem Einsatz präsidierte sie über zwölf Jahre die Bündner Frauenzentrale und galt dort als wertvolle Impulsgeberin für bedeutungsvolle Beratungsstellen. Die Ombudsstelle für Alters- und Spitexfragen, die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der häuslichen Betreuung und Pflege Graubünden (AHaG) sind nur zwei Beispiele, die auf die Initiative von Anna Lydia Florin zurückzuführen sind. Sie möchte es zwar nicht gerne hören, aber sie war eine «Power-Frau». Als Dank und Anerkennung für ihr grosses und uneigennütziges Wirken wurde ihr im Jahre 2001 der erste Anerkennungspreis «Dunna» der Bündner Sektion des Schweizerischen Verbandes der Akademikerinnen und der Stiftung Frauenkulturarchiv Graubünden ausgerichtet.

Das Bündner Frauenhaus, ebenfalls ein Werk, dessen Zustandekommen Anna Lydia ein ganz besonderes Anliegen war, hat sich im Laufe der Zeit zu einer in unserem Kanton nicht mehr wegzudenkenden Institution entwickelt, welche bis heute und auch in politischen Kreisen grosse Resonanz und Anerkennung findet. «Anpacken, aber auch wieder loslassen und weitergeben» war zeitlebens die Devise von Anna Lydia Florin. Dieses Motto prägte sie unter anderem als Präsidentin der Arbeitsgemeinschaft «Pflege und Betreuung in Graubünden». Es erstaunt somit nicht, dass schliesslich auch die Pro Raetia auf ihre Person aufmerksam wurde, welcher sie während vieler Jahre als aktives und initiatives Vorstandsmitglied angehörte. Wie in anderen Sozialwerken vermochte Anna Lydia Florin auch hier ihre Ideen einzubringen und mannigfach zu verwirklichen. Sie leistete damit dieser Institution wertvolle Unterstützung, gleichsam im Willen und immer mit dem Ziel bestrebt, die Lebensqualität im Kanton, speziell mit Bezug auf Minderheiten und im Sinne der Gleichberechtigung der Geschlechter inständig zu stärken.

Nein, sie war keine Frau der grossen Worte! Taten waren gefragt. So wirkte sie als Vorsitzende, als Ideengeberin, als Initiantin und als Mensch. So nahm sie auch ihre Familie wahr, als liebenswerte, hingebungsvolle, aber auch als ideenreiche, strebsame Frau, Mutter und später Grossmutter. Ihr Wirken in der Familienstube, im Maienfelder Pfarrhaus und im Kreise so vieler sozialer Institutionen hinterlässt tiefe Spuren; Spuren, die weit über ihre Zeit hinaus Wirkung und Frucht tragen. Eigentlich so, wie dies immer wieder ihr fester, wenngleich auch stiller Wunsch geblieben ist. In dankbarer Erinnerung nehmen wir von Anna Lydia Abschied.

Rolf Rauber