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Luzein - St. Antönien
15.03.2022
15.03.2022 12:49 Uhr

Stuhl und Drama: der Filmer Avi Sliman aus Buchen

Avi Sliman wird in seinem fünften Film eine Prättigauer Handwerkerin portraitieren.
Avi Sliman wird in seinem fünften Film eine Prättigauer Handwerkerin portraitieren. Bild: Sara Smidt
In Buchen hat sich der Weltbürger Avi Sliman angesiedelt. Er entdeckt Menschen und Geschichten durch die Linsen von Film- und Fotokamera. Von hier aus pendelt er nach Zürich, ins Engadin, nach Chur, oder wo immer sich seine Kunden und Projekte befinden. Ein Herzensprojekt ist seine Videoserie über Handwerker:innen «Handgemacht».

Wer heiraten will, ist bei Avi Sliman aus Buchen in guten Händen. Der Filmer und Fotograf begleitete bereits Hunderte von Hochzeiten mit seiner Kamera. Bald merken das Paar und die Gäste gar nicht mehr, dass er da ist. Es geht ihm um ehrliche Momente, nicht um Inszenierung. So verschwinden die Ähs und Hmms, wie sie in fokussierten Filmen mit Firmenchefs zum Beispiel nicht zu vermeiden sind. Diese posieren vor der Kamera, um etwas darzustellen. Es darf nicht zu lange dauern. Von solchen Aufträgen lebt Avi Sliman mit seiner Frau und den bald zwei Kindern.

Handgemacht

Anders beim Projekt «Handgemacht», das im Herbst 2022 fertiggestellt sein wird. Längere Zeit begleitet Sliman fünf Handwerker:innen und schneidet aus den 1,5 Terabyte Material je einen 15-minütigen Film. Er meint: «Ich bin wie ein Stuhl im Zimmer.» Was? So soll ein Film entstehen? Ja, denn der Filmer nähert sich seinen Hauptpersonen nicht als Interviewer, sondern er ist beim Bau einer Gitarre von Claudio Pagelli aus Chur dabei oder verfolgt die Wandlung eines gewöhnlichen Steins zu einer gestalteten Form mit dem Steinmetz Albin Büchler. Vor der Linse entfalten sich die Eigenheiten des Materials, der virtuose Umgang des Handwerkers damit und der Zauber ehrlicher Momente. Sliman ist nicht nur das Handwerk selbst wichtig, sondern der Handwerker dahinter. Ihn fasziniert wie der Steinmetz selbst so weich sein kann, während er mit dem harten Material Stein arbeitet. Denn während des langen kreativen Prozesses entdeckt der Filmer das Drama in der Geschichte. Er fragt: «Warum machst du das?», aber ohne den Gefilmten direkt danach zu fragen. Dieser beantwortet die stumme Frage durch sein Tun. Erst zum Schluss kann es sein, dass Sliman noch Fragen hat, die er dann zum Abrunden stellt und filmt. In diesem Herzens-
projekt verfolgt er, was er sonst noch machen könnte, wenn er nicht Filmer wäre. «Die Sehnsucht nach dem Handwerk ist auch eine nach Verankerung in der Welt», so ein Bekenntnis aus der Projektbeschreibung.

Im Prättigau angekommen

Mit den Händen arbeiten kann er nun tatsächlich bei der Renovierung des Hauses, das seine Frau Katharina Balzers und Tochter Ella mit ihm letztes Jahr bezogen haben. Vorher sind sie jährlich umgezogen, getrieben von einer gemeinsamen Neugier auf die Welt. «Man kann gar nicht genug lernen», sagt er. Kennengelernt hat sich das Paar in Tel Aviv, wo Avi Sliman in einem nahen Ort aufgewachsen ist. Ganz ohne Kunst. Die lernt er erst in London kennen, als er Architektur studiert. Bei einem Gruppenauftrag merkt er, dass Filmen seiner Leidenschaft entspricht. Er sattelt um, lernt Foto und Film in der Praxis in Tel Aviv und macht sich selbständig. Jeder Tag ist neu, und wir finden den neuen Prättigauer beim Porträtieren von Kunden, beim Filmen von Tanz, beim Livestreamen der Engadin Art Talks oder beim Fotografieren für das neue Online-Kulturmagazin Frida. Der fünfte Film für «Handgemacht» wird wohl mit einer Prättigauer Handwerkerin entstehen. Wir dürfen gespannt sein.

Sara Smidt