Hier wurden sie von den Erwachsenen in die Kunst des Viehhütens und Viehtreibens eingeführt. Hier lernten sie die Zubereitung der bekannten Älplerspeisen, das Kochen von Rahmmus, von Milchreis und von Älpertatsch, wobei die reichliche Beigabe von frischer Maiensässbutter der Inbegriff wahrer Kochkunst war. Hier lernten sie am offenen Feuer der Unbill der Witterung standzuhalten. Beim abendlichen Hengert der Erwachsenen hörten sie Geschichten, die eigentlich nicht für Bubenohren bestimmt war, die aber einen wesentlichen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und zum Selbstverständnis heranwachsender Jugendlicher leisteten. Aufklärung auf dem Hengertbänkli.
Lugmilchsunntig
Um sich die Langeweile beim Hüten zu vertreiben, wurden die alten Hirtenspiele ausgetragen. Dazu gehörten «D’Su vo Alp triebe» (die Sau von der Alp treiben) und «Ds Wäseli schnida» (das Rasenschneiden), Spiele, die heute niemand mehr kennt, geschweige denn spielt. Höhepunkt der Maiensässzeit war zweifellos der «Lugmilchsunntig». Das war der Sonntag, an dem die Alpgemeinde zusammentrat und den Alpfahrttermin festlegte und die Mütter zusammen mit ihren Mädchen ihren Männern und Buben einen Besuch abstatteten. Die ledigen Burschen wurden an diesem Sonntag von ihrer Auserwählten, und falls es noch zu keiner gereicht hatte, von mehr oder weniger erwünschten weiblichen Anverwandten aufgesucht. Für die Buben war der Tag insofern aussergewöhnlich und von Bedeutung, mussten sie sich doch am Morgen einer ungewöhnlich gründlichen Waschprozedur am Brunnen unterziehen. Ausschlaggebend dafür waren die Väter, wollten sie sich doch vor den Müttern als Erzieher keine Blösse geben. War dann am Mittag das Vieh im Stall und die Mahlzeit beendet, dann kam der eigentliche Höhepunkt des Tages, der diesem Sonntag auch den Namen gegeben hatte. Dann wurde in einem Melkeimer der Rahm mit einem feinen Birkenbesen zur Nidel, eben der berühmten «Lugmilch» geschlagen. Diese wurde dann unter die Gäste verteilt, mit Zimt und Zucker überstreut, und ihr Genuss galt als Festschmaus sondergleichen. War die Gästeschar allzu zahlreich, so konnte es vorkommen, dass der Senn anderntags keine Butter mehr herstellen konnte, weil er allen Rahm für die Lugmilch gebraucht hatte. Selbstverständlich machten derartige Vorkommnisse die Runde und brachten den Betroffenen in den Ruf eines Verschwenders.