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Schiers
01.06.2022
01.06.2022 16:44 Uhr

Erica Brühlmann-Jecklin feiert Vernissage zuhause

Bild: zVg
Am Pfingstmontag, 6. Juni 2022, findet im Kirchlein Schuders die Vernissage zum neuen Buch von Erica Brühlmann-Jecklin statt. Das neue Werk «Saras weiter Weg» dreht sich um das Leben ihrer Tante, die vor kurzem ihren 95. Geburtstag feiern durfte.

Die Idee zum Buch über das Leben ihrer Tante sei eher spontan entstanden. «Meine Tante las das Buch ‹Sofia – eine Frau aus dem Prättigau› bereits vor Drucklegung und war recht begeistert. Sie hat mir dann bei einem unserer Besuche ihre Geschichte erzählt, ich durfte sie auf Tonband aufnehmen. Ausserdem übergab sie mir eine Kassette, auf welcher sie vor Jahren ihre Geschichte in englischer Sprache aufgesprochen hatte. Ich merkte, dass es ihr ein Bedürfnis ist, dass diese Geschichte nicht verloren geht.» In Siebenbürgen ist ihre Tante geboren, wurde dann aber im Januar 1945 mit allen anderen jungen Menschen von den Russen in die Ukraine deportiert, wo sie zweieinhalb Jahre in einem Arbeitslager gefangen war. Später, als die Rumänen die Siebenbürger nicht mehr in ihr Land einreisen lassen wollten, wanderte sie nach Kanada aus und wurde durch Heirat Prättigauerin, respektive eine der Jecklins.

Ein Stück Verarbeitung

Ihr Dorf, in dem sie eine schöne und behütete Kindheit erlebt habe, vermisse ihre Tante bis heute, sagt Brühlmann-Jecklin. «Aber sie wusste auch stets, dass dieses Paradies verloren war. Kann man Heimweh nach etwas haben, das es nicht mehr gibt? Ich weiss es nicht.» An der Geschichte am meisten fasziniert habe sie die Kraft mit welcher sie ihr Leben trotz allem gestaltet habe. «Ich denke, sie hat ihre Kraft von ihren gesunden Wurzeln genommen und hat letztlich auch dank der glücklichen Ehe mit meinem Onkel den Mut gehabt, sich in Kanada ein neues Paradies zu schaffen.» Anlässlich von ihrem 95. Geburtstag am 12. März habe sie grosse Freude gezeigt. «Bei einem Bild, welches vor dem Kapitel ihrer Kinder- und Jugendzeit ihr Dorf zeigt, sagte sie gleich: ‹Schaut, das ist unsere Kirche. Und so sahen alle unsere Häuser aus.› Ich vermute, dass die Tatsache, dass sie ihre Geschichte nun in Händen halten kann, auch ein Stück Verarbeitung bedeutet.»

Retraumatisierung für alle Betroffenen

Durch den Krieg in der Ukraine erhält das Buch leider eine gewisse Aktualität. Das hat auch die Autorin traurig zur Kenntnis genommen. «Die Wiederholung ist in der Tat ein Stück Retraumatisierung für alle Betroffenen, die damals deportiert wurden und noch leben. Es waren ja die Russen, welche die jungen Siebenbürgerinnen und Siebenbürger in die Ukraine deportierten. Ich glaube nicht, dass die Menschen seit dem zweiten Weltkrieg nichts gelernt haben, aber es braucht einen einzigen Autokraten, dem seine Macht wichtiger ist als die Menschen, um so viel Leid zu verursachen.» Trotz dieser gewissen Melancholie in der Geschichte habe sie auch ein paar Erkenntnisse daraus mitgenommen. «Den Mut nicht zu verlieren, sich auf Neues einlassen, auch wenn es schwierig oder gar schwer ist, hat mich sehr beeindruckt.»

Heimspiel in Schuders

Am 6. Juni 2022, respektive am gleichen Tag, an dem in Schuders auch der traditionelle Jahresmarkt stattfindet, liest Erica Brühlmann-Jecklin wieder mal in heimischem Gebiet. Die Autorin, die in Küblis geboren ist, sagt, dass sie vor jeder Lesung eine gewisse Aufregung spüre. «Im Prättigau kommt aber auch Freude dazu, ist es doch meine Heimat. Dass ich im Kirchlein von Schuders lesen darf, freut mich besonders, habe ich zu diesem Dorf und seiner Kirche doch auch eine spezielle Beziehung.» Für das Tal habe sie auch Zeilen bereit, die hier spielen. «Da es eine Vernissage ist, werde ich nur aus diesem Buch lesen und daraus selbstverständlich auch den Abschnitt, wie meine Tante ihren Mann nach Küblis begleitet und wie sie sein Dorf und alle (neuen) Verwandten kennenlernt.» Doch primär gehe es nicht darum, aus möglichst vielen Werken vorzulesen, sondern viel mehr die Lebensgeschichte ihrer Tante zu zelebrieren. «Bei Fragen würde ich sicher auch auf andere Bücher eingehen. Ich werde das eine und andere auch mit dabeihaben, aber diese Vernissage soll eine Hommage an meine Tante, meinen Onkel und ihre Familie sein.» Schön, dass der Weg der Exilprättigauerin durch ihre Tante auch mal wieder in die Region führt.

Christian Imhof