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Anna Blaser: «Es ist ein wunderbarer Ausgleich»

Die Natur ist für Blaser wichtig, um den Kopf zu lüften.
Die Natur ist für Blaser wichtig, um den Kopf zu lüften. Bild: C. Imhof
Anna Blaser ist im Prättigau die Frau für alle Lebenslagen. Sie ist nicht nur Hebamme, sondern führt zudem seit bald 20 Jahren auch ein Bestattungsunternehmen. Auch wenn man ihr diese beiden strengen Berufe nicht sofort zumuten würde, geht sie mit viel Hingabe ihren Tätigkeiten nach und ist eine wichtige Stütze für Menschen am Anfang, aber auch am Ende ihres Lebens.

Bestatterin wurde die gelernte Pflegerin und Hebamme Anna Blaser eigentlich eher zufällig. «Mein Mann war damals als Chauffeur bei Hans Hartmann unterwegs und hat gesagt, dass man dies auch gut selber machen könnte. Ich für meinen Teil sagte zuerst, dass ich nur das Büro machen würde und sicher nicht mitkommen würde. Doch schon bald kam ich in die Branche und habe geholfen, wo es ging.» Vor 12 Jahren starb Annas Mann an einem Herzinfarkt, und nach langem Überlegen entschied sie sich, das Geschäft weiterzuführen. «Ich wollte einfach nicht das Geschäft schnell und zu einem hohen Preis verkaufen und nachher kommt jemand ins Prättigau, arbeitet vielleicht nicht mit dem gleichen Fingerspitzengefühl wie wir und verärgert die Kundschaft.»

Einfach da sein

Beim Gespräch mit Anna Blaser fällt es sofort auf: Die Menschen stehen bei ihrer Arbeit immer im Fokus. «Der Umgang mit den Leuten ist das A und O meines Berufs.» So gibt es auch immer wieder Aufträge, die auch ihr nahe gehen. «Wenn jemand junges stirbt, ist das immer schwierig nachzuvollziehen. Aber auch Suizide oder Unfälle lassen mich nie kalt.» Sie finde bei solchen Fällen Trost beim Kopf-Lüften in der Natur oder auch bei Gesprächen mit ihren Mitarbeitenden oder ihren Kindern. Genau aus diesem Grund hat die zierliche Frau auch lediglich ihr Büro bei sich zu Hause und geht im Falle eines Todes zu den Angehörigen nach Hause oder ins Spital. Die Toten werden jeweils in die Aufbahrungshalle oder ins Krematorium gebracht und nicht zu ihr ins Geschäft. Diese Distanz sei wichtig. Ausserdem brauche es für den Beruf eines Bestatters zudem eine gewisse Resilienz, das heisst, man müsse als Person gefestigt sein und mit beiden Beinen im Leben stehen. Es gehe natürlich nicht, wenn die Bestatterin komme und auch in Tränen ausbreche. Das helfe niemandem. «Der Tod kommt oft unerwartet. Wenn ich jeweils vor Ort ankomme, gilt es im ersten Moment einfach, für die Trauernden da zu sein und ihnen zuzuhören. Tröstende Worte müssen mit Bedacht gewählt werden, doch wichtiger ist immer das Zuhören.» Nachher übernehme die Bestatterin bei den Trauernden die Planung für einen Moment und schaue, wie es weitergehe.

Vorsorgeaufträge ausfüllen

In solchen Situationen komme dann oft raus, dass sich die Menschen zu wenig Gedanken über ihren eigenen Tod gemacht haben. «Ich empfehle es allen, egal ob alt oder jung: Sprecht mit euren Liebsten über den eigenen Tod und füllt einen Vorsorgeauftrag aus, in dem ihr beantwortet, ob ihr eine Erdbestattung oder Kremation, eine Abdankung, ein Grab, die Asche verstreut oder zu Hause in einer Urne und so weiter möchtet. Dies erleichtert nicht nur mir meine Arbeit, sondern auch den Hinterbliebenen bei der Trauerarbeit, und sorgt auch dafür, dass alle ihren Frieden finden können.» Solche Dokumente mit vorgefertigten Fragen gebe es beispielsweise bei Pro Senectute. Allgemein sei es wichtig, dass man den Tod als Teil des Lebens akzeptiere und auch Kinder beispielsweise nicht wegschicke, sondern für das Thema sensibilisiere und sie sanft begleite.

Vom Wochen- ans Totenbett

Trotz der regelmässigen Begegnung mit der Trauer gebe es als Bestatterin immer auch wieder schöne Momente, sagt Anna Blaser. «Wenn beispielsweise Kunden zu mir kommen und sagen, wie schön ich ihre Eltern hergerichtet hätte und dass sie in mir eine Stütze in der schweren Zeit gefunden hätten, dann ist das schon etwas sehr Berührendes.» Neben der Arbeit als Bestatterin ist Blaser auch noch als ambulante Wochenbettbetreuerin tätig. «Früher habe ich im Spital gearbeitet und war natürlich auch bei unzähligen Geburten dabei, aber das Bestattungsgeschäft lässt es nicht zu, dass ich in Schicht arbeite. Wenn ein Anruf kommt, muss ich flexibel sein.» Dieses schnelle Umschalten zwischen dem Anfang des Lebens und dem Ende beherrsche sie inzwischen gut. «Es ist ein wunderbarer Ausgleich mit den Neugeborenen, der mir immer sehr viel gibt.» Zwei bis drei Jahre wolle sie ihre beiden Tätigkeiten noch ausüben, obwohl sie inzwischen eigentlich das Pensionsalter erreicht habe. «Solange ich gesund und ‹zwäg› bin, werde ich das weitermachen.» Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger habe sich bis jetzt noch nicht gefunden, und ihre Kinder reissen sich jetzt nicht wirklich um das Beerdigungsinstitut. Doch auch da werde sich sicher irgendwann eine Lösung ergeben, sagt Blaser, die sich trotz der vielen Trauer, die sie regelmässig umgibt, ihre positive Art und ihr sonniges Gemüt erhalten hat.

Christian Imhof