Im kommenden August ist es bereits fünf Jahre her, seit Christian Brosi seine Schlüssel der Evangelischen Mittelschule Schiers an den Nachfolger Hans-Andrea Tarnutzer abgegeben hat und seinen Ruhestand angetreten ist. Doch ganz so ruhig ist das Leben des pensionierten Rektors dann doch nicht. Brosi ist immer noch Mitglied der als Verein aufgebauten Mittelschule und des Lions Club Prättigau. Als Kulturbegeisterter sammelt er nicht nur leidenschaftlich Bilder von befreundeten Künstlern wie dem Schierser Urban Troxler bei sich zuhause, er ist sich auch nicht zu schade, beim benachbarten Kleinkunsttheater im Keller des Kulturhauses Rosengarten mitanzupacken. Zudem engagiert er sich aktiv beim Bergfahrtfestival Bergün als Fundraiser, was in etwa so viel heisst, dass er dafür sorgt, dass die Sommer-Veranstaltung nicht in die roten Zahlen gerät. Bei den Planungen zum Festival, welches ein buntes Potpourri an kulturellen Veranstaltungen anbietet, sei dann die Idee aufgekommen, dass Brosi der Kunstfigur «Hitsch» wieder mal neues Leben einhauchen könnte. Zum Glück, wie der Grüscher erklärt. «Es ist schon ein bisschen so, dass ich immer einen Anstupser brauche. Mein erstes Programm ‘Wilhelm Tell’ habe ich mir anlässlich meines 50. Geburtstags im Jahr 2004 ‘geschenkt’.» Auf den 50. eines Kollegen namens Jäger habe er dann 2009 das Programm «Hochjagd» geschrieben und aufgeführt. Für das dritte Kabarettprogramm «Alpenfalten & Stirnrunzeln» sei es kein runder Geburtstag gewesen, sondern Festival-Leiter Gian Rupf, der gefunden habe, dass der Prättigauer Wortkünstler mit Tiefgang wieder mal auf die Bühne gehöre.
Man kann, muss aber nicht
Fast 15 Jahre musste das Publikum auf ein neues Bühnenprogramm von Christian Brosi warten. Diese lange Bühnenabstinenz habe aber nicht allein damit zu tun, dass es keinen «Anstupser» gegeben habe, wie der Mann mit dem inzwischen ergrautem markanten Schnauzer erzählt. «Es ist einfach so, wenn du über 55 Jahre alt bist, merkst du, dass die Energie und die Power nicht mehr im gleichen Masse vorhanden sind wie zuvor.» Dies habe er in den letzten Schuljahren vor der Pension schon ein wenig gemerkt. «Oft war es dann so, dass ich mich voll auf die Arbeit konzentriert habe und wenig Zeit für Kreatives übriggeblieben ist.» Doch verbittert ist Hitsch Brosi heute nicht. Im Gegenteil. Bei der EMS sei frühzeitig mit Hans-Andrea Tarnutzer intern ein perfekter Nachfolger aufgebaut worden. Dieser mache einen sensationellen Job, was man unter anderem auch bei der progressiven Haltung der Schule während der Pandemie gesehen habe. Ein Funken Stolz schwingt in den Worten Brosis durchaus mit. Zu Recht, denn Tarnutzer war nicht nur 19 Jahre «sein» Prorektor, der heutige Schulleiter war sogar mal bei Brosi Schüler, als dieser vor Urzeiten noch Philosophie und Germanistik unterrichtet hat. Es sei gut so, wie alles gekommen sei. Auch der gescheiterten Regierungsratskandidatur im Jahr 2010 weint der 68-Jährige keine Träne nach. «Ich bin damals vor allem angetreten, um auf Fehlentwicklungen in der Bildungspolitik hinzuweisen.» Als Parteiloser und deshalb auch ohne finanzielle Rückendeckung sei die Sache wohl schon früh gegessen gewesen, doch auch in der Retrospektive merke er, wie wichtig es gewesen sei oder auch immer noch ist, dass über die Bildung in der Peripherie diskutiert werde und nicht immer der Fokus auf den grossen Zentren liege. Seit er pensioniert sei, lebe er nach dem Motto, dass er zwar alles machen könne, was er wolle, aber nichts wirklich müsse. Diese Leichtigkeit habe sich auch auf sein Bühnenprogramm übertragen. «Ich kann es richtig geniessen, da ich mit meinem Kabarett nicht Geld verdienen muss. So kann ich es so gestalten, wie ich es als richtig empfinde und muss keine Kompromisse eingehen, um einem grossen Publikum zu gefallen.»
Kommunikation mit Schweigenden
Ein klassisches Kabarett sei sein neues Werk «Alpenfalten & Stirnrunzeln» nicht, sagt Brosi. «Meine Bühnenarbeit ist immer eine Mischung aus Ernsthaftigkeit und Humor. Es gibt da auch in meinem dritten Programm hin und wieder Momente, die zum Nachdenken anregen und in denen eher weniger gelacht wird.» Neben seiner Interpretation der Kleinkunst gibt es etwas weiteres, was alle seine Stücke eint, nämlich dass er Stoffe als Vorlage nimmt, die in der Regel allen bekannt sind. «Das war schon bei ‘Wilhelm Tell’ und ‘Hochjagd’ so. Beides sind Geschichten, zu welchen alle im Publikum schon Bilder im Kopf haben. Diese Ideen werden dann durch meine eigene Interpretation der Materie durcheinandergewirbelt, was hin und wieder zu ganz skurrilen Momenten führen kann.» Im aktuellen Programm hat sich Hitsch Brosi einem Thema angenommen, welches ihn täglich umgibt, wie er schmunzelnd ausführt. «Es geht um das Leben und Überleben in den Bergen. Wir Bergler sind ja schon von Natur aus eigen und darum wird’s recht interessant, wenn wir auf Städter treffen.» In seinem Stück werde aber nicht nur der Unterschied zwischen Berg- und Stadtbewohnern persifliert, allgemein stehe die interkulturelle Kommunikation stets im Fokus. «Es gibt da beispielsweise die Sequenz, bei welcher eine amerikanische und eine japanische Delegation an einem Tisch sitzen und miteinander sprechen. Während die Asiaten eher für ihre zurückhaltende und fast schon entschuldigende Art bekannt sind, preschen die Amis in der Regel ohne Rücksicht auf Verluste recht schnell und laut vor. Dies zeigt auf, wie viele unterschiedliche Arten es eben gibt sich zu unterhalten. Sicher ein Höhepunkt der Geschichte ist der Dreh, dass Bergler beim Thema Kommunikation oft am liebsten schweigen, was zu unterhaltsamen Missverständnissen führt.» Einen gewissen Bildungsauftrag ist laut Brosi durchaus vorhanden, da 30 Jahre bei der EMS durchaus Spuren hinterlassen haben. Doch gewisse Szenen seien «wissenschaftlich nicht wirklich erhärtet», wie der Mann mit Schalk im Nacken sagt. «Erstmals arbeite ich bei diesem Programm mit einer Powerpoint-Präsentation. Dort sieht das Publikum eindrücklich, wie es gewesen wäre, wenn die Erdplatten anders aufeinander gerutscht wären und beispielsweise der Fadeuer der höchste Berg der Welt wäre und nicht der Mount Everest.» Das ist eine unterhaltsame und durchaus spannende Theorie, die seinem Kollegen, dem Rekordbesteiger Urban Troxler die Reise in den Himalaya ersparen und vielleicht auch für den Tourismus in der Region gewisse Dinge erleichtern würde. Das Stück «Alpenfalten & Stirnrunzeln» wird am 3. und 4., sowie am 17. und 18. März im Kellertheater Rosengarten in Grüsch aufgeführt. Ein Besuch wird wärmstens empfohlen, denn wer weiss, wann Hitsch Brosi wieder mal zu einem neuen Programm angestupst wird.