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Kanton
21.04.2024

Ein relevanter Beitrag des Bündner Tourismus zu «Netto-Null 2050»

Bild: Pressedienst
Rund 10 % der Emissionen im Kanton Graubünden sind auf den Kerntourismus zurückzufüh-ren. Die Beheizung von Hotels und Zweitwohnungen sowie die Gästemobilität stellen die Hauptverursacher der klimarelevanten Emissionen im Tourismus dar. Die Tourismusbranche kann allein mit Massnahmen im Gebäudebereich ihre CO2-Emissionen um bis zu zwei Drittel reduzieren und einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu Netto-Null 2050 leisten.

Der Kerntourismus in Graubünden emittiert gemäss der Analyse des Wirtschaftsforums Graubünden mit 209'000 Tonnen CO2-Äquivalenten rund 10 % aller Emissionen, welche innerhalb vom Kanton Graubünden ausgestossen werden. Der Gebäudepark, primär die Heizung und Aufbereitung von Warmwasser in Hotels und Zweitwohnun-gen, ist für zwei Drittel der Tourismusemissionen verantwortlich. Ein weiterer Drittel entfällt auf den touristischen Verkehr durch die An- und Abreise der Gäste innerhalb der Kantonsgrenzen sowie die Mobilität vor Ort.

Wichtigste Massnahme:
Umstieg auf nicht-fossile Heizsysteme
Der Gebäudebereich ist mit Abstand der grösste Emittent von Treibhausgasemissionen im Tourismusbereich: Die gesamten touristisch genutzten Gebäude in Graubünden verantworten 28 % der Emissionen im Gebäudebereich. Entsprechend gross ist das Potenzial, um hier Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Dabei stellt der Umstieg von Öl- und Gasheizungen auf nicht-fossile Heizsysteme, z.B. Wärmepumpen, die wirkungsvollste Massnahme dar. Im Kanton Graubünden sind heute 72 % der Hotels und 58 % der Wohnungen mit fossilen Heizsystemen ausgestattet. Des Weiteren kann eine effiziente Gebäudedämmung den Energiebedarf um das vier- bis siebenfa-che senken. Im Bereich der Zweitwohnungen stellt die Beheizung während dem Leerstand ein Problem dar. Heute werden rund 85 % aller Zweitwohnungen durchgehend beheizt; das Sparpotenzial durch Fernsteuerungen liegt bei 50-80 % der Heizenergie.

Umstieg auf klimafreundliche Mobilität: nicht direkt beeinflussbar, aber unterstützbar
Reisen bedeutet, sich von «A» nach «B» zu bewegen. Wenig überraschend stellt der Tourismusverkehr ein rele-vanter Emittent von Treibhausgasemissionen des Bündner Tourismus dar. Durch die Anreise der Gäste und dem lokalen Tourismusverkehr werden jährlich rund 70'000 Tonnen CO2-Emissionen auf dem Kantonsgebiet ausges-tossen, was rund 16 % der gesamten Verkehrsemissionen im Kanton Graubünden entspricht. Mit der Elektrifizie-rung des motorisierten Individualverkehrs werden sich diese Emissionen in Zukunft deutlich verringern. Wie schnell der Umstieg auf die E-Mobilität vonstattengeht, ist vom Bündner Tourismus jedoch kaum direkt beein-flussbar. Die Tourismusregionen können die Entwicklung unterstützen, beispielsweise mit attraktiven ÖV-Angebo-ten im Bereich der Anreise inkl. Gepäcktransport sowie dem Ausbau eines umfassenden E-Ladestationennetzes vor Ort in den Destinationen.
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Gedankenspiel: Emissionen der Gästeanreise gegenüber den lokalen Emissionen in Graubünden
Gemäss den anerkannten Regeln der Emissionsbilanzierung nach Territorialprinzip ist der Kanton Graubünden für die Emissionen verantwortlich, welche innerhalb des Kantonsgebiet ausgestossen werden. In einem Gedan-kenspiel hat das Wirtschaftsforum Graubünden über den Tellerrand hinausgeschaut und die gesamten Emissio-nen geschätzt, die durch die touristische Aktivität ausgelöst werden. Nebst den Emissionen auf Kantonsgebiet fallen besonders jene der An- und Abreise der Gäste ins Gewicht, welche zu fast 90 % ausserhalb des Kantons anfallen. Dabei zeigt sich, dass die Verkehrsemissionen der An- und Abreise ausserhalb der Kantonsgrenzen um das 2.3-fache höher sind als die gesamten Emissionen des Bündner Tourismus innerhalb des Kantons. Aufgrund der langen Reisedistanz sind Flugreisen besonders relevant. Sie machen rund drei Viertel der gesamten Anreise-emissionen der Bündner Gäste aus, obwohl Graubünden mit nur 9 % Gästen aus Fernmärkten deutlich weniger international aufgestellt ist als andere Tourismusregionen der Schweiz. Emissionen werden auch durch Waren und Dienstleistungen ausgestossen, die in anderen Kantonen oder dem Ausland hergestellt werden. Durch den Import dieser Güter entstehen «graue» Emissionen, welche in den Herstellungsregionen zu Buche schlagen. Würde der Tourismus diese nach dem Verbraucherprinzip verantworten, so müssten zusätzlich zu den territoria-len Emissionen rund 40 % dazu gezählt werden.

Solarstromproduktion auf Hotelgebäuden und Bergbahnen sinnvoll
Die Umsetzung der Klimaziele wird künftig einen deutlich höheren Stromverbrauch gegenüber heute um +55 bis +120 % zur Folge haben. Der zusätzliche Strombedarf in Graubünden sollte folglich durch die zusätzliche Produk-tion in der gleichen Grössenordnung gedeckt werden. Der Tourismus kann hier mit der Solarstromproduktion auf Dächern, Fassaden und touristischen Bauten einen wichtigen Beitrag leisten. Besonders sinnvoll sind solche An-lagen auf Hotelgebäuden und bei Bergbahnen, da diese Unternehmen einen hohen Eigenverbrauch haben und den Strom ohne Belastung des Stromnetzes grösstenteils selbst nutzen können.

Netto-Null 2050 bedeutet Beschleunigung der Anstrengungen
Die Studie des Wirtschaftsforums Graubünden zeigt auf, dass der Tourismus einen relevanten Beitrag zum Netto-Null-Ziel 2050 leisten kann. Mit der Umsetzung von gezielten Massnahmen wird es möglich sein, grosse Teile der touristischen Treibhausgasemissionen in Graubünden zu vermeiden. Eine (fast) komplette Reduktion bis 2050 ist damit aber vermutlich nicht erreichbar. Das liegt vor allem daran, dass verschiedene Aspekte durch die Touris-musbranche kaum beeinflusst werden können, etwa die Verkehrsmittelwahl der Gäste, der technologische Fort-schritt im Verkehrsbereich oder das Tempo des Umstiegs auf die E-Mobilität. Nicht nur der Tourismus, sondern die gesamte Schweiz, muss ihre Anstrengungen deutlich steigern, wenn sie das Netto-Null-Ziel 2050 ernsthaft anstreben will. Der Schweiz ist es seit 1990 gelungen, die CO2-Emissionen um knapp 20 % zu senken. Bei gleichbleibendem Tempo würde die Schweiz das Netto-Null-Ziel rund 100 Jahre zu spät erreichen.

Pressedienst