Wann haben Sie, liebe Leserinnen und Leser zuletzt eine Karte geschrieben? Was früher in den Ferien, zum Geburtstag oder auch an Weihnachten zum guten Ton gehörte, ist heutzutage wegen der Digitalisierung fast schon in Vergessenheit geraten. Anders sieht dies bei den Schwestern Karin Caviezel-Gasser und Eveline Gasser aus. Sie hatten 2022 einen Blitzgedanken, dass man einsamen Menschen eine Karte schicken könnte und klopften bei einem Altersheim an.
Bedürfnis ist da
«Ich kenne jemanden, der in der Aktivierung bei einem Altersheim arbeitet. Am Tag nachdem wir die Idee hatten, habe ich sie angerufen und nachgefragt, ob da überhaupt ein Bedürfnis vorhanden ist», sagt Caviezel. «Es ging darum, heraus zu spüren, ob es dort Menschen gibt, die gar nie Besuch kriegen oder auch nie Post erhalten.» Bei dieser und auch bei anderen Institutionen stiessen sie auf offene Türen. Mit tatkräftiger Hilfe von Familie und Freunden gelang es in der ersten Saison sage und schreibe 444 Weihnachtskarten zu verschenken, was beweist, dass sie ihr Gefühl nicht getäuscht hatte. Aus diesem Grund entschieden sich die beiden Schwestern im darauffolgenden Januar den Verein «Schreib Freude» zu gründen und in die Geschichte eine gewisse Regelmässigkeit reinzubringen.
Im Sommer helfen die Schüler:innen
Inzwischen sind im Verein 30 Personen engagiert und es werden drei Mal im Jahr Karten verschickt. Im Frühling sind es Ostergrüsse, Mitte Jahr gibt es Sommerpost und an Weihnachten dürfen sich Menschen in Altersheimen der Kantone Graubünden, Aargau, St. Gallen, Zürich, Basel Stadt, Bern und Glarus über Karten freuen. Zu den Festtagen sei es jeweils kein Problem genügend Karten zusammenzukriegen, im Sommer harze es aber laut Caviezel schon ein wenig. «An diesen Daten gibt es genügend Inspiration etwas zu verfassen, im Sommer müssen die Leute fast ein wenig mehr überlegen.» Um dieses Loch auch noch zu stopfen, hat der Verein im Frühjahr eine Schule angeschrieben. «Das hat wirklich gut gefruchtet. Und zeigt auch, was so das Schöne ist an diesem Projekt. Alle haben Freude daran. Ich bei der Herstellung und beim Schreiben, das Personal beim Auspacken und die Leute, die sie erhalten beim Lesen.» Zudem könnten Schulklassen so Projekte lancieren mit Schreiben und Gestalten und dadurch ergebe sich eine Wellenbewegung, die Generationen miteinander verbinde. «Ich habe letzthin gerade von einem Lehrer die Rückmeldung erhalten, dass viele Kinder nachfragen, wenn sie mal nichts zu tun haben, ob sie für ältere Menschen eine Karte machen können. Was zeigt, dass es in der Schule fast ein wenig zu Selbstläufer geworden ist.» Sie vom Verein wünschen sich, dass noch viel mehr Klassen mitmachen, egal aus welcher Region.
Aus der Region in die Schweiz verteilt
Das Projekt erreiche aber auch ältere Frauen, die nicht in einem Heim, sondern noch bei sich zuhause leben würden. «Das gibt es regelmässig, dass Personen kommen und finden. Zu Fuss bin ich nicht mehr so gut unterwegs, aber schreiben tue ich gerne. Das habe ich früher schon gerne gemacht. Dadurch haben sie wie eine Aufgabe gefunden, die sie beschäftigt und je nachdem auch zu Brieffreundschaften führen kann.» Dass dies passieren kann, müssen laut Caviezel die Schreibenden ihre Adresse auf der Karte notieren, denn der Datenschutz verhindere sonst ein richtiges Vernetzen. Dabei dürfen die älteren Menschen zurückschreiben, müssen aber nicht. «Wir hatten aber auch schon Heime dabei, in denen die Seniorinnen und Senioren beleidigt waren, dass sie nicht zurückschreiben durften, respektive keine Adresse für einen Dank hinterlegt wurde. Aus den Heimen haben wir allgemein oft die Rückmeldung, dass sie es als sehr positiv empfinden, dass die Menschen zurückschreiben dürfen. Das Schreiben halte vital.» Die Schreibenden schreiben grundsätzlich jeweils ins Blaue hinaus, was zu sehr kreativen Ausflügen führen kann. «Es ist uns wichtig, dass wenn jemand zehn Karten sendet, dass diese verstreut zugestellt und nicht alle im gleichen Heim zugeteilt werden. In unserer Zentrale mischen wir die Einsendungen und verteilen sie nachher persönlich bei den unterschiedlichen Institutionen.» So kam es im vergangenen Jahr auch mal zu einem sehr speziellen, fast schon magischen Moment. «Ein Mann im Bündnerland hat mal eine Karte vom Kloster Einsiedeln erhalten. Er hatte anschliessend Tränen in den Augen, da er genau in diesem Kloster mal gearbeitet hat. Die Therapeutin hat nur gestaunt, als er plötzlich angefangen hat, aus seiner Vergangenheit zu erzählen, da er sonst eigentlich eher ein ruhiger und zurückhaltender Typ war.» Wie aus den 2000 Karten genau diese bei der richtigen Person gelandet ist, ist schwer zu erklären, doch Caviezel sagt, dass sie nicht an einen Zufall glaube. «Von Einsiedeln mit dem Kloster vorne drauf hatten wir gerade mal zwei Karten und eine hat genau zu diesem Mann gefunden.» Das ehrenamtliche Projekt gehe allen Beteiligten voll ins Herz und könne der Verein Schreib Freude unterstützt werden. Ob dies mit einem Geldbetrag ist oder mit einer selbstgeschriebenen Karte sei dabei sekundär. Schön sei es zu sehen, wie das Projekt gegen die Einsamkeit immer grössere Kreise ziehe. Bis am 1. September sammeln sie noch Sommergrüsse, anschliessend bis am 1. Dezember Weihnachtskarten. Weitere Informationen gibt’s unter www.schreib-freude.ch.