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«Ich bin Bergler im Herz»

Bild: Christian Imhof
Hitsch Rogantini hat als kleiner Knopf nicht von der grossen Karriere als Fotograf geträumt. Dies obwohl er schon immer ein sehr visueller Mensch gewesen sei. «Bilder haben mich schon immer fasziniert. Auch in den Teenagerjahren habe ich ein wenig analog fotografiert, aber ich hatte nicht das Geld dazu, die richtige Ausstattung zu erstehen.»

Zwar hatte ein WG-Kollege von ihm ebenfalls die gleiche Faszination und Rogantini durfte seine Dunkelkammer mitnutzen. Doch im Vergleich zu heute, wo jeder mit einer hochauflösenden Kamera im Hosensack herumläuft, sei das Hobby Fotografie in seiner Sturm und Drang-Zeit doch noch sehr kostspielig gewesen. Erschwerend sei dazu gekommen, dass es in der Schweiz zu seiner Zeit für Fotografen keine gescheite Ausbildung gegeben hatte, er seine Berufung lieber noch ein paar Jahre als Hobby ausüben wollte.

Lösungen statt Kreativität
Bis es wirklich Klick gemacht habe bei ihm, mussten noch einige Jahre durchs Land ziehen. Hitsch Rogantini machte eine Ausbildung als Tourismusfachmann arbeitete bei der Swiss Ski + Snowboard School Klosters, bis es ihm mit der Zeit zu viel wurde. Es seien viele Dinge zusammengekommen, die den heute 52-Jährigen vor acht Jahren zum Umdenken bewegt hätten. «Mir hat das Kreative und Konzeptionelle gefehlt in meinem Alltag. Ich wollte etwas auf die Beine stellen und dann auch wirklich raus gehen und es umsetzen. Ich liebe es kreativ zu sein. Man muss Ideen haben, sie ausprobieren, vielleicht auch mal in einen Hammer laufen und nochmals von vorne beginnen.» Heute ist ihm die in der Branche vorherrschende Mentalität suspekt. «Im Tourismus ist es das Problem, dass Ideen zwar gefragt sind, im Alltag aber liegt der Fokus woanders. Es sind konkrete Lösungen für aktuelle Problemsituationen gefragt. Dort geht es weniger um gute Ideen, sondern vielmehr darum, wie man alle Parteien in das Boot reinbringt. Es geht um eine Kompromissfindung der vielen involvierten Interessensgruppen und weniger um die rasche Erreichung übergeordneter Ziele. Das ist auch richtig und wichtig, denn nur wenn alle ihre Bedürfnisse einbringen können ist in der Schweizer Tourismuslandschaft ein Vorankommen möglich. Das kostet aber viel Zeit und Energie.»

Arktis statt Krise
Irgendwann war es ihm dann genug und Hitsch Rogantini hat ins Blaue hinaus seinen Job gekündet. «Dann erst habe ich gemerkt, dass ich trotzdem irgendeine Anstellung haben muss, damit weiterhin Geld hineinkommt. Die Frage kam schnell auf, wo ich dann als nächstes im Tourismus anfangen wolle, worauf ich gemerkt habe, dass mich gar keine von den ausgeschriebenen Stellen gereizt hat.» Seine damalige Freundin hat damals eine Ausbildung zur Fotografin begonnen und hatte die Aufgabe, unterschiedliche Landschaftsbilder einzufangen. «Sie hatte konkrete Vorstellungen, was auf das Bild muss und hat mich gebeten, sie an entsprechende Orte zu führen. Da ich seit jeher im Winter Skilehrer und im Herz auch Bergler bin, wusste ich natürlich genau, wo ich sie hinführen muss.» Als er anschliessend mit ihr draussen war, verzweifelte er fast, da er es nicht verstehen konnte, weshalb das so lange dauerte. Sie gab ihm eine zweite Kamera, mit der er sich ein wenig austoben konnte. Als ihr Sherpa und Führer erwachte dann langsam das Feuer für die Fotografie in ihm. «Als ich nach vielen Versuchen dann wirklich ein richtig gutes Bild hatte, hat es mir den Ärmel reingezogen. Und ich habe bemerkt, dass ich mich mehr mit Fotografie auseinandersetzten möchte.» Richtig ins Schwärmen kommt der bärtige Künstler, wenn er von der darauffolgenden Fotoexkursion in der Arktis im darauffolgenden Sommer spricht. «Wenn du von so einer Exkursion nach Hause kommst, bist du in der Regel todmüde. Doch ich war so begeistert, dass ich mit ihr gleich geschaut habe, wann wir das nächste Mal gehen können.» Zehn Tage später sass das Paar erneut im Flieger und tauschte das Ersparte gegen unbezahlbare Erinnerungen und Erfahrungen ein. «Jeder ausgegebene Franken war es wert. Es war absolut faszinierend, die Natur und die Tiere dort zu erleben und zu fotografieren.»

Steinböcke statt Hochzeiten
Diese Erlebnisse und ein Zufallstreffer gaben der Laufbahn von Rogantini eine glückliche Wendung. «Im November bin ich die Berge und habe die Serie ‘Steinböcke im Schnee’ gemacht. Diese habe ich ein paar Kollegen gezeigt und alle haben gefunden, dass das absolut aussergewöhnliche Bilder sind.» Er habe sich nicht viel dabei gedacht und sei dann mal mit Claude Schauerte von der Uhren-Bijouterie Schauerte in Klosters zusammengesessen. Dieser habe ihn angefragt, ob er nicht bei ihm eine Ausstellung machen wolle. «Da habe ich natürlich sofort zugesagt. An dieser habe ich zu meinem Erstaunen sehr viele Bilder verkauft und habe dann wirklich gedacht, vielleicht könnte das Ganze sogar beruflich funktionieren.» Ohne Ausbildung Fotoausstellungen zu machen und dabei noch gut Bilder zu verkaufen, ist etwas, dass auch seine Fotokollegen beeindruckt habe; viele machen das nicht oder können das nicht. Als er dann sich dem Thema genauer angenommen hat, mit der Fotografie seinen Lebensunterhalt zu bestreitet, kam der Kameramann auch zum Schluss, dass das mit den Steinböcken im Schnee wirklich ein glücklicher Zufall gewesen ist. «Es ist schon so. Ein Eisbär interessiert in der Schweiz kein Mensch. Bilder aus der Arktis oder auch Landschaftsbilder sind sehr schwierig zu verkaufen. Da habe ich auch gemerkt, der Wert meiner Steinbockbilder ist hoch. Das ist wirklich etwas Besonderes, dass die Leute sehr berührt. Das ist eine Ausnahme zu dem, was man sonst so findet. Ein Sechser im Lotto.» Relativ schnell klar wurde dem Autodidakt damals auch, dass er für Hochzeiten, Familienfotos oder auch Neugeborenenshootings nicht der Richtige ist. «Das sind einfach solche Veranstaltungen, die mit schlecht formulierbaren und sehr hohen Erwartungen verbunden sind. Ich mache eine Hochzeit nur in ganz wenigen Ausnahmefällen, wenn es Kollegen sind und ich auch einen persönlichen Bezug dazu habe.» Anders sieht es für ihn bei öffentlichen Anlässen aus. Oder auch bei Veranstaltungen, die von der Skischule auf die Beine gestellt werden. «Durch diverse Anfragen, aus meiner Zeit im Tourismus, bin ich ein wenig reingerutscht in die ganze Geschichte und bin zufrieden, wie es inzwischen läuft.» Da er selber keine Familie habe, sei er ungebunden und frei von vielen Verpflichtungen, die mit einer Familie und Kindern verbunden seien. So könne er auch ein wenig entscheiden, was er überhaupt annehme und was lieber nicht. Seine Freude an Kindern könne er zudem gut als mehrfacher Götti ausleben. 

Miteinander statt alleine
Die Auftragsfotografie ist laut Rogantini die Butter, die auf sein Brot käme, nebenbei mache er aber auch regelmässig gemeinsame Projekte mit Anderen im kulturellen Bereich. Aktuell mache er gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Bassklarinettisten Marc Lardon diverse Videofilme. «Am 17. September machen wir einen gemeinsamen Auftritt in der Postremise bei der Reihe Soundhund. Das ist experimentelle, neue Musik, die da vorgetragen wird. Am Abend, den Lardon gemeinsam mit Hans Koch bestreitet, begleite ich die drei Akte mit der Kamera. Während sie spielen, filme ich sie und projiziere die eingefangenen Bilder direkt auf die Bühne. Solche Projekte finde ich spannend, da sie dafür sorgen, dass man aus seiner Komfortzone ausbricht und nicht in einen Trott kommt.» Viele seiner Freunde seien im kreativen Bereich tätig, weil sich das gut gegenseitig ergänze und inspiriere. Das habe sich aber eher zufällig ergeben, weil kreative Menschen nun mal andere Kreative anziehen. Allgemein wirkt Hitsch Rogantini angekommen. Vieles habe sich über die Jahre gefügt und auch wenn es vielleicht leicht esoterisch angehaucht töne, das Universum habe ihn reich beschenkt. «Ich habe nie gross Werbung gemacht für meine Dienstleistungen. Ich hatte aber so ein Gefühl, dass jetzt dann wieder mal ein Job kommen muss. Meistens in den nächsten zwei, drei Stunden klingelt das Telefon mit einer Anfrage. Ich kann es nicht erklären, wie das funktioniert. Aber irgendwie ist es so: Wer an etwas glaubt, schickt positive Signale ans Universum, die dann zurückkommen.»

Christian Imhof