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Maienfeld
12.03.2025

«Ich bin ein Mensch, der nach vorne denkt»

Ist aktuell ziemlich gefragt: Die Mundart-Musikerin Gigi.
Ist aktuell ziemlich gefragt: Die Mundart-Musikerin Gigi. Bild: zVg
Am 7. März erschien endlich das erste Album «Hinterem Mond» der Mundart-Musikerin Giulia «Gigi» Gort. Fast gleichzeitig startet zudem noch die Sendung «Sing meinen Song – das Schweizer Tauschkonzert», bei dem die Maienfel­derin die Lieder von Gotthard, der Stubete Gäng, Dodo, Kings Elliot, Zian und Nicole Bernegger neu interpretiert. Gigi ist momentan gefragt wie kaum eine andere Schweizer Mundartkünstlerin. Das beweist auch der Umstand, dass nach meinem Interview schon die «Schweizer Illustrierte» mit Fragen aufwartete.

Es sei schon aussergewöhnlich, bei einem Format mitmachen zu können, bei welchem Künstler mit dabei seien, mit welchen sie sonst nicht unbedingt Berührungspunkte habe, sagt Gigi. Da es zudem noch ziemlich bekannte Künstler seien, mache es nicht einfacher für ihre Nervosität. «Ich habe versucht, mich möglichst wenig damit zu befassen, was sie alles schon erreicht haben. Je weniger du über sie weisst, desto weniger baust du eine Mauer aus Bewunderung auf.» Es sei viel angenehmer gewesen, die anderen Musikerinnen und Musiker vor Ort und somit auch die Personen hinter der Musik kennenzulernen. «Die ganze Sendung war eine super Erfahrung und hat mir sehr viel gebracht.»

Bewusst präsenter

Die Karriere der Musikerin nahm rapide Fahrt auf, als sie 2022 erstmals beim Radioformat «Bounce Cypher» auf Virus teilnahm. Dieser Auftritt hat Eindruck hinterlassen, denn anschliessend kam man in der Schweizer Medienwelt einfach nicht mehr um die Wortakrobatin aus der Bündner Herrschaft herum. Bei all den Dingen, die passieren, wenn man auf der Erfolgswelle reitet, kann einem leicht schwindlig werden. Doch Gigi hat da eine Eigenschaft an sich, die in diesem schnelllebigen Geschäft diverse Vorteile mit sich bringt. «Manchmal ist das gut, manchmal aber auch nicht: Ich bin ein Mensch, der nach vorne denkt. Darum verpasse ich manchmal auch Sachen, weil wenn ich etwas mache, schon beim Nächsten bin.» Das könne ihr sehr in die Karten spielen, wenn viel laufe und sie trotzdem einen kühlen Kopf bewahre. Sie müsse sich hin und wieder aber fast ein wenig zur Reflexion zwingen, sagt Giulia Gort. «Es gibt schon viele Momente, an die ich zurückdenke und merke, wie schade es war, dass ich sie nicht mehr genossen habe.» Sie spreche viel mit ihrer Familie darüber und versuche, bewusster anwesend und auch präsent zu sein.

Im richtigen Moment am richtigen Ort

Die Begeisterung für Reime geht bei ihr weit zurück. «Ich habe immer schon viel geschrieben, meist aber auf Englisch. Bei den schweizerdeutschen Sachen war ich einfach im richtigen Moment am richtigen Ort und ich muss sagen, dass ich fast ein wenig in die Szene reingerutscht bin.» Dass sich das Leben von Gort durch den Rap dermassen auf den Kopf stellen wird, hätte sie am Anfang wahrscheinlich selbst nicht gedacht. «Es war sehr schnell ein grosses Interesse an mir da, weil es eben nicht wirklich viele Frauen in diesem Sektor gibt. Doch ich habe immer wieder im richtigen Moment die richtige Person kennengelernt.» Einer, der Gigi früh gepuscht hat und ihr wichtige Türen geöffnet habe, sei der Physical-Shock-Labelchef Dardan Demaj. Er habe sie zu seinem Label gebracht, wo ihre Karriere sich entwickeln konnte. Dazu gehörte auch, dass Giulia Gort ihren musikalischen Horizont erweitern musste. «Meine ganze Familie war nicht wirklich im Hip-Hop zuhause. Ich hatte aber Freude daran in meiner Jugend.» Beim Schreiben sei ihr dieses Unvoreingenommene sehr zugute gekommen. «Ich wusste nicht, dass es da Regeln gibt, die man beachten sollte. Das musste ich zuerst lernen, was ich aber als spannend wahrnahm.» Durch das, was sie dort im Umfeld mit bekannten Rappern wie EAZ und XEN gelernt habe, sei ihr auch klar geworden, wieso sie Hip-Hop so gerne habe.

Das Herz zeigt den Weg

Gigi ist nach wie vor begeistert von der Jugendkultur Hip-Hop, die aus den vier Säulen Rap, DJing, Breakdancing und Graffiti besteht. Und doch, ein klassisches Rap-Album sei «Hinterem Mond» nicht. «Ich wollte einerseits ein bisschen von allem drin haben und andererseits mich nicht festfahren. Ich liebe ja nicht nur Rap, ich höre auch gerne Rock und Pop. Ich mag einfach Musik und es auszuprobieren.» Authentizität sei ihr wichtig, denn wer in Maienfeld aufgewachsen sei, könne nur schlecht irgendwas von Problemen auf der Strasse rappen. Inspiriert habe sie zu diesem Facettenreichtum der Rapper Kendrick Lamar, der sich auch nur schwer in eine Schublade drücken lasse. «Ich habe viel ausprobiert, doch am Ende vom Tag habe ich auf dem Album eine Note von mir, die mir sehr viel Freude macht. Ich wollte mich selbst ein wenig finden mit dem Werk und ich glaube, es ist mir gelungen.» Wichtig sei es, das zu machen, was das eigene Herz von einem verlange. «Ab dem Punkt, wo du etwas machst, was du nicht wirklich willst, geht’s bergab.» Dass Gigi das gefunden hat, was sie sich tief innen wünscht, zeigt, dass sie bereits wieder an neuem Material arbeitet. Und vielleicht auch ein wenig, dass ihre Ausflüge in die Privatwirtschaft nicht von grossen Erfolgen gekrönt wurden. «Ich bin zur Erkenntnis gekommen, dass ich einfach nur das gut kann», erklärt sie lachend. «Nicht, dass ich nicht gut in anderem wäre, aber das ist das Einzige, was ich mir wirklich vorstellen kann, mehrere Jahre zu machen. Alles andere mache ich ein paar Monate und dann lass ich es wieder bleiben.» Im Moment mit dem ganzen Rummel ginge es gar nicht anders, einen anderen Job zu ergreifen. «Dann könnte ich das Ganze gar nicht so vermitteln, wie ich es mir vorstelle. Zudem wäre es halbpatzig, wenn ich meine Musik nur so nebenbei machen würde», sagt die gelernte Coiffeuse. Der Weg zu dieser Erkenntnis hat Gigi über diverse Berufe geführt. «Ich hatte gefühlt schon jeden Job. Ich war beim Steueramt, im Callcenter, in einem Schuhladen, Nanny für ein Jahr, im Spital, Service, Küche – ja ich habe wirklich alles durch.»

Versuch mehr

Im Frühjahr 2024 wurde Giulia Gort mit einem Swiss Music Award ausgezeichnet. Diesen erhielt sie in der Kategorie «Most Rising Artist Social Media». Also ist die 24-Jährige wohl eine, die es wissen muss, wie das Zusammenspiel mit der Musik und den sozialen Medien funktioniert. Immer mache es nicht Spass, das Ganze zu bewirtschaften, aber immer mache auch das Musizieren nicht Spass. «Es bringt etwas, mit einem Konzept in den sozialen Medien zu arbeiten und so Leute zu erreichen.» Wenn sie sehe, wie beispielsweise die Stubete Gäng mit ihren Aktivitäten auf unterschiedlichen Kanälen es schaffen, grosse Hallen zu füllen, merke sie, dass es bei ihr noch Luft nach oben gebe. «Es gibt noch so viele Leute, die mich noch nicht kennen. Und ich glaube, das vergisst man manchmal. Auch wenn die Schweiz klein ist, ich versuche, möglichst alle zu erreichen.» Es gehe nicht darum, das Gesicht zu verlieren oder sich selbst zu verleugnen. «Ich möchte schon mein eigenes Ding durchziehen, aber es geht um das Verständnis, was der Markt will. Es gibt immer noch Leute, die man erreichen kann und dafür muss man sich Mühe geben auf den sozialen Medien.» Durch Abschauen bei anderen könne man viel lernen, weshalb sie ständig mit offenen Augen durch das Musikbusiness geht. Wie viele neue Hörerinnen und Hörer Gigi erreichen kann, zeigt sich in den nächsten Tagen, wenn die Rapperin ohne Scheuklappen munter durch den Schweizer Blätterwald reitet und gleichzeitig hoffentlich viele junge Mädchen animiert, sich auch auszuprobieren. Das Album «Hinterem Mond» kann jetzt überall gestreamt werden. Am 11. April wird das Werk im Selig in Chur getauft. Die Gigi-Ausgabe der Sendung «Sing meinen Song – Das Schweizer Tauschkonzert» wird am 21. April ausgestrahlt.

Christian Imhof