Home Region Schweiz/Ausland Sport Agenda Magazin
Prättigau
09.04.2025

Pulsmessen bei der Bevölkerung

Georg Fromm hofft auf rege Beteiligung bei der Tourismusumfrage.
Georg Fromm hofft auf rege Beteiligung bei der Tourismusumfrage. Bild: Christian Imhof
Aktuell wird die Bevölkerung der Region Prättigau/Davos befragt, wie sie zum Thema Tourismus steht. Die Umfrage richtet sich in erster Linie an Einheimische in den elf Gemeinden der Region, kann aber auch von Zweitheimischen beantwortet werden. Lediglich zehn Minuten geht das Ausfüllen des Fragebogens. Durch dieses Pulsmessen bei den Menschen in der Region soll auf weite Sicht ein Tourismusleitbild entstehen, das auch den Gemeinden im Mittel- und Vorderprättigau gerecht wird.

«Tourismusakzeptanz Prättigau/Davos» heisst die Umfrage, die noch bis Ostern online beantwortet werden kann. In dem Fragebogen kann anonym zu brennenden Themen wie Abfall, Erhaltung von Kulturgut, Verkehr, Arbeitsplätzen, dem Verhältnis von Einheimischen und Touristen sowie vielem mehr abgestimmt werden. Spannend, sich mal vor Augen zu führen, in welchen Bereichen des Lebens man überhaupt mit dem Tourismus in Kontakt kommt. Und es war auch sicher ein geschickter Zug der Region Prättigau/Davos, diese Umfrage so zu terminieren. Denn die Skisaison ist zu einem grossen Teil durch. Die Bilder der überfüllten Strassen im Prättigau sind noch frisch im Gedächtnis der Bevölkerung. Somit kann wirklich ein Überblick entstehen, der neben den positiven auch den negativen Auswirkungen des 

Fokus: Ganzjahrestourismus

Eine solche Befragung sei neu im Kanton Graubünden, sagt der Geschäftsführer der Region Prättigau/Davos, Georg Fromm. «Meist ging es bisher um Gäste und ihre Wünsche und Bedürfnisse. Wir wollen jetzt auch von den Leuten wissen, was man machen soll in der Regional- und Tourismusentwicklung. Es geht schliesslich nicht nur um die Gäste, sondern primär um uns und unser Leben hier vor Ort.» Er freue sich, dass die offene Umfrage auf ein derart grosses Echo in der Bevölkerung stosse. Der Ursprung der Idee findet sich im vergangenen Jahr. Dort sei eine Wertschöpfungsstudie auf kantonaler Ebene entstanden. Dann gebe es die kantonale Tourismusstrategie und die regionale Entwicklungsstrategie, die verlange, dass ein Tourismusleitbild erarbeitet werde. Dieses werde nun für die Gemeinden erarbeitet. «Es geht darum, dass diese wissen, wie sie sich verhalten wollen, und dann zum Beispiel Anbieter auch wissen, was sie von den Gemeinden erwarten können.» Aufgrund des Klimawandels kommen laut Fromm einige Veränderungen auf den Tourismus zu, weshalb es wichtig sei, jetzt schon zu agieren, anstatt erst zu reagieren, wenn es schon zu spät sei. «Die Klimaerwärmung ist vor allem für den Schnee in der Region Gift. Es muss auf lange Sicht ein Ganzjahrestourismus kommen, bei dem weniger in den Winter und dafür mehr in den Sommer investiert wird.» Das gelte weniger für Davos und Klosters, die sich in höheren Lagen befinden, sondern eher für das Vorderprättigau. Und es stimmt: Auch wenn Danusa in der vergangenen Saison mit guten Pistenverhältnissen auftrumpfen konnte, ob sie das in den nächsten zehn Jahren noch können, ist mehr als fraglich. Das vordere Tal habe zum Beispiel noch einiges Potenzial beim Biken. «Wir haben da im Rahmen des kantonalen Projekts graubündenBike ein grösseres Projekt, im Moment mit dem Namen Bikenetz Prättigau 2.0. Die vor bald 20 Jahren konzipierten Bikestrecken im Prättigau werden überarbeitet und veränderten Gästebedürfnissen (z. B. E-Bikes) und auch neuen Vorgaben des Bundes angepasst.»  

Besonders interessant: wie das Vorderprättigau zum Tourismus steht. Bild: Ch. Imhof

Eine Million Gäste pro Jahr

Man müsse jetzt keine Angst haben, dass das Vorderprättigau zum neuen, völlig überlaufenen «Bike Kingdom» wie die Lenzerheide werde. Darum gebe es eben auch die Umfrage, bei der die Bevölkerung genau sagen könne, wo sie stehe. Gerade das Tal herunter tauchen laut Fromm immer wieder ähnliche Fragestellungen auf. «Sind wir überhaupt eine Tourismusgemeinde? Wie gehen wir um mit Tourismusthemen?» Die Unterschiede in der Region seien gross. «Die grossen Gemeinden Davos und Klosters sowie Luzein könnten selbstverständlich gar nicht ohne den Tourismus. Bei anderen Gemeinden im Prättigau sieht man die Abhängigkeit und Wertschöpfung nicht so direkt.» Gemäss Wertschöpfungsstudie erreicht die Destination Prättigau – ohne Klosters mitzuzählen – knapp eine Million Gästefrequenzen. Davon sind 615 000 Frequenzen von Übernachtungsgästen und 370 000 Tagesgäste. Während nur wenige Gästefrequenzen in der Hotellerie gemessen werden (rund 85 000), sind die eigengenutzten Ferienwohnungen (250 000) und die Übernachtungen bei Verwandten und Bekannten (190 000) überproportional bedeutend. «Die Leute sind hier, weil das Prättigau so ist, wie es ist. Authentisch, viel Landschaft und Natur, aber vergleichsweise wenig Tourismusinfrastruktur.» Spannend ist, dass die Region Prättigau/Davos hier einen ersten Schritt wagt, denn auch andere Regionen im Kanton haben sich bisher noch keine grossen Gedanken zu einem Tourismusleitbild gemacht, bei dem die Bevölkerung auch mitwirken kann. «Man muss immer versuchen, die Bevölkerung im Boot zu haben bei grösseren Projekten, die eine politische Mehrheit brauchen», sagt Georg Fromm. Diskussionen an Stammtischen, in Leserbriefspalten oder in Social Media seien das eine, aber welche Haltungen mehrheitlich vertreten würden, wisse man viel zu wenig. Letztlich gehe es um ein gutes Miteinander. «Juhui, i bin kai Zürcher», sei schliesslich keine Haltung in den Abhängigkeiten, in denen sich die Region befinde. «Es geht darum, ein gutes Verhältnis zwischen dem Tourismus und der Region zu finden.» Eine Abstimmung vor vier Jahren habe einiges dazu beigetragen, dass jetzt genauer zugehört werde. «Bei den Abstimmungen zum Naturpark Rätikon haben wir gesehen, dass wir falschlagen. Das ist auch nicht gelungen, weil wir die Stimmung falsch eingeschätzt haben und zu wenig von der Bevölkerung wussten.» Damals sei erschwerend gewesen, dass die grosse Mehrheit an den Informationsveranstaltungen ein positives Signal gesendet habe. An der Urne hingegen habe sich das Bild nachher ins Gegenteil verkehrt. Es bleibt zu hoffen, dass sich bei der Tourismusumfrage Befürworter und Gegner beteiligen und gemeinsam Lösungen gefunden werden können. Es wäre doch schön, wenn das Prättigau nicht zum Dubai der Alpen mutiert. Gleichzeitig kann dank der hängen bleibenden Wertschöpfung im Tal viel Neues entstehen. Packen wir es an und finden gemeinsame Lösungen. Direkt zur Umfrage kommen Sie, wenn Sie den beigelegten QR-Code scannen.

Christian Imhof