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Maienfeld
13.04.2025

«Was bleibt von einem Menschen?»

Petra Pellini (rechts) im Gespräch mit Sabine Loop.
Petra Pellini (rechts) im Gespräch mit Sabine Loop. Bild: Ch. Imhof
Gemeinsam mit dem Buchladen Bad Ragaz organisierte die Gemeindebibliothek Maienfeld am vergangenen Freitagabend eine Lesung der Vorarlberger Bestsellerautorin Petra Pellini. Die Passagen aus ihrem Werk «Der Bademeister ohne Himmel» wie auch das anschliessende Gespräch schickten das Publikum auf eine regelrechte Achterbahnfahrt der Gefühle.

Es ist kein leichtes Thema, das sich Petra Pellini für ihr Debüt ausgesucht hat. Denn eine zentrale Figur in ihrem Werk spielt der an Demenz erkrankte Hubert. Die Krankheit, einem grösseren Publikum bekannt durch den Film «Honig im Kopf», hat immer zwei Seiten: eine traurige und eine komische. Pellini erwähnte an dem Abend, dass sie öfters die Rückmeldung erhalte, dass die Leserinnen und Leser bei ihrem Buch oft hin und her gerissen seien zwischen lachen und weinen. Und es stimmt: Es ist ein schmaler Grat zwischen der Freude an den klaren Momenten und den Schatten, welche die Krankheit über das Leben aller Beteiligten wirft. 

Wenn Welten aufeinandertreffen 

Im Leben des 86 Jahre alten, pensionierten Bademeisters Hubert taucht dann plötzlich die 15-jährige Linda auf. Sie, die unter der Last des Weltschmerzes am liebsten vor ein Auto laufen würde, verbringt dreimal in der Woche den Nachmittag bei ihm. Das, um die polnische Pflegerin Ewa zu entlasten, und wohl auch, um auf andere Gedanken zu kommen. Eine weitere wichtige Rolle in der Geschichte hat der Jugendliche Kevin inne, der neben dem «Bademeister ohne Himmel» schaut, dass seine Freundin die Freude am Leben und die Hoffnung nicht komplett verliert. Auch wenn er selbst hadert. Es ist imposant, zu erleben, wie feinfühlig die Autorin in ihrem Roman zwei verschiedene Welten aufeinanderprallen lässt. Denn die Me­lancholie, die viele Heranwachsende mit sich herumschleppen, ist gar nicht so einfach einzuordnen, wie man denkt. Denn auf der anderen Seite ist da in der Geschichte ein Mann zugegen, der immer wieder damit konfrontiert wird, dass seine Frau bereits verstorben ist. 

80 000 Exemplare sind  schon weg

Dass Petra Pellini mit ihrem Werk einen Nerv getroffen hat, bewies nicht nur das grosse Interesse an der Lesung in Maienfeld. Die Autorin wurde für einen Auszug aus ihrem Roman «Der Bademeister ohne Himmel» bereits 2021 mit dem Vorarlberger Literaturpreis ausgezeichnet. Dass das Debüt von Petra Pellini bereits so hohe Wellen geschlagen hat, ist auch Sabine Loop vom Buchladen Bad Ragaz aufgefallen, die der Autorin nach einer kurzen Leseprobe auf den Zahn gefühlt hat. Dass ihr erstes Buch so daherkomme, sei langer Übung geschuldet, sagt Pellini. «Ich habe schon immer geschrieben und habe auch noch viel in der Schublade. Ein paar Sachen habe ich auch schon versucht, doch ‘der Bademeister’ ist jetzt das erste Buch von mir, das sichtbar geworden ist.» Das klingt fast ein bisschen harmlos, wenn man bedenkt, dass ihr Roman bereits in der siebten Auflage publiziert wurde. Das bedeutet, dass bereits 80 000 Exemplare des Romans über die Ladentische gegangen sind. Doch die Autorin verliert deswegen nicht die Bodenhaftung und freut sich, dass auch in anderen Sprachen für das Thema sensibilisiert werde. «Es sind diverse Übersetzungen geplant. Im Mai oder Juni erscheint es in Italien. Zudem kommt es auch in Südkorea und in Tschechien raus. Spanien überlegt noch …» Man solle ihr doch die Daumen drücken, dass es dort auch noch klappe. 

Ein Thema mit Tiefe

Das Thema Demenz habe sie begeistert, da sie in ihrer letzten beruflichen Tätigkeit auf einer Dementenstation gewirkt habe. Dort habe sie mit zwölf Schwerdementen gearbeitet. Aber auch in ihrer Familie habe es schon Fälle gegeben im nahen Umfeld. Interessiert habe es sie auch, weil Demenz ein Thema sei, das in die Tiefe gehe. «Für mich geht es darum, die Frage aufzuwerfen, was von einem Menschen in dieser Situation bleibt. Es geht um Werte wie Menschenwürde und Toleranz.» Da wollte sie ein Konstrukt erschaffen, das zeigt, wie die Personen miteinander umgehen, und denen eine Stimme geben, die sonst nicht so zu Wort kommen. «Es geht zudem um die Themen ‘alleinerziehend’, die 24-Stunden-Pflege und auch um den 13-jährigen Kevin, der Mühe hat mit der Situation der Welt. Oder auch die Figur Linda stammt aus einer zerrütteten Familie, in der Gewalt eine Rolle gespielt hat.» Diese breite Palette an gesellschaftlichen Brennpunkten ist es auch, die den «Bademeister ohne Himmel» interessant macht für ein breites Publikum. So finden praktisch alle Personen eine Identifikationsfigur im Buch, die einen zum Nachdenken bringt und darauf hinweist, wie lebenswert das Leben doch ist. 

Christian Imhof