Home Region Schweiz/Ausland Sport Agenda Magazin
Schweiz
14.05.2025

Ein historisches Erbe

Sabine Hinz war bereits Munotwächterin in Vertretung, wodurch ihr vieles nicht als total neu erschien. Ihr Mann Andreas Hinz ist hauptsächlich für die Damhirsche zuständig.
Sabine Hinz war bereits Munotwächterin in Vertretung, wodurch ihr vieles nicht als total neu erschien. Ihr Mann Andreas Hinz ist hauptsächlich für die Damhirsche zuständig. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
Seit dem 1. Mai ist Sabine Hinz offiziell die 70. Munotwächterin. Ganz allein muss sie aber nicht über die militärische Festung wachen. Sie zieht mit ihrer Familie in den Turm ein. Nach rund 60 Jahren lebt somit wieder eine ganze Familie im Wahrzeichen.

«Im Quartier des Munots bin ich aufgewachsen. Ich mag mich gut erinnern, als es auf der Zinne noch einen Kiosk gab. Da gingen wir Kinder natürlich zum ‹Chrömle› hin», sagt Sabine Hinz, die neue Munotwächterin, schmunzelnd während eines Gesprächs mit dem «Bock» auf der windigen Zinne. An solch einem geschichtsträchtigen Ort zu wohnen und zu arbeiten sei ein einzigartiges Privileg. Sie finde es zudem wunderbar, dass dieses Schaffhauser Wahrzeichen zu den Sehenswürdigkeiten der Region gehöre, welche Einheimische ohne einen Grund, wie etwa Gäste, besuchen würden. «An den Rheinfall geht man gefühlt nur dann, wenn Besuch da ist.» 

Jetzt oder nie

Es sei der perfekte Moment gewesen, um ein so anspruchsvolles und besonderes Amt zu übernehmen, erklärt die ehemalige Friseurin. «Als Eltern ist man ständig auf Trab und gewissermassen unter Strom. Diese Energie, dieser Drive, haben meinen Mann Andreas und mich dazu bewogen, nach gründlicher Überlegung auf die Ausschreibung zu reagieren und uns für dieses Abenteuer zu bewerben.» Die Nachricht, dass sie in der engeren Auswahl seien, habe sie sehr gefreut. Danach habe alles seinen Lauf genommen.

Wurde nicht über Nacht zur Wächterin

Sabine Hinz bekam zwar am 1. Mai offiziell die Schlüssel des Munots überreicht, war aber schon einiges länger in die vielschichtigen und arbeitsintensiven Prozesse involviert. Nach dem mehrteiligen Bewerbungsprozess und der Zusage durch das Gremium, bestehend aus der Munot-Vereinspräsidentin und den Vorgesetzten vom Hochbauamt sowie Grün Schaffhausen, ging es nahtlos in die beinahe zwölfmonatige Vorbereitung über. «Da ich bereits Stellvertreterin der Munotwächterin war, hatte ich schon gewisse Vorkenntnisse. Total neu war deshalb die Einführung nicht für mich», stellt Hinz klar. Den Wechsel vom privaten in den öffentlichen Sektor habe sie unter anderem daran bemerkt, dass Anfragen und Anpassungen über verschiedene Zuständigkeitsbereiche laufen – diese mussten sie und ihr Team zunächst alle kennenlernen. Doch von allen Seiten hätten sie viel Unterstützung erhalten.

Was sicher ihre volle Aufmerksamkeit benötige, sei die Ausbildung Fachspezifische Berufsunabhängige Ausbildung (FBA) Hirsche, welche nebst ihrem Mann auch sie absolviere. «Nach dem Abschluss könnten wir hier weitere Wildtiere halten, wie beispielsweise Bisons.», sagt die neue Munotwächterin mit einem Zwinkern. Zwischen den Schulungen, welche jeweils auf verschiedenen anderen Höfen in der ganzen Schweiz stattfanden, seien Selbstvertiefungsarbeiten an der Reihe gewesen. Mit der Ausbildung ginge es bei ihnen darum, zu wissen, wie sie ihre neuen «Haustiere» betreuen müssen. «Für die meisten Teilnehmenden des FBA hat die Wirtschaftlichkeit einen höheren Stellenwert. Die Hirsche sollen einst dessen Kuhherden ersetzen.» Offiziell ist Andreas Hinz als «Hüter über die Tiere» eingestellt. Da sie nebst der Oberaufsicht auch für die Führungen zuständig ist, habe sie sich in einen Bücherwurm verwandelt und verschlinge gerne Lektüren zu geschichtlichen, wirtschaftlichen und politischen Themen aus den Zeiten, als der Munot als militärische Anlage genutzt wurde. «Meine beiden Jungs haben eine Riesengaudi, dass sie nun hier leben und stolzieren freudig mit ihren aus Holz geschnitzten Hellebarden auf der Zinne umher.»

«Da ich bereits Stellvertreterin der Munotwächterin war, hatte ich schon gewisse Vorkenntnisse. Total neu war deshalb die Einführung nicht für mich.»
Sabine Hinz, Munotwächterin

Kein Tag wie der andere

Der Morgen starte eigentlich immer gleich, nämlich mit dem Einfeuern des Kachelofens in der Turm-Wohnung. Dann erledige Sie Büroarbeiten und öffne die Tore der Anlage. Im Sommer ist das um 8 und im Winter um 9 Uhr. Ein Kontrollblick dürfe auch nicht fehlen. Es soll auch alles sauber und intakt sein. Morgens und abends verlangen die Hirsche nach Futter. Diese Aufgabe nehme sie gerne wahr. «Regelmässig stehen im Verlauf des Tages Führungen an. Wenn nicht gerade Französisch verlangt wird, dann führe ich gemeinsam mit meinem Mann Andi diese durch. Ich kenne aber auch Personen, die Touren in anderen Sprachen durchführen», so die Schaffhauserin. Auf Wunsch könne der Start auch bei der Schifflände sein. Am ersten Arbeitstag sei punkt 8 Uhr ein Bus aus Tschechien mit 50 Personen vorgefahren. Der Start der Schweizertour sollte im Munot beginnen. «Zum Glück kamen zu diesem Zeitpunkt die Sommer-Öffnungszeiten zum Zug. Ansonsten wären Sie vor geschlossenen Toren gestanden.» Dazwischen nutze Sabine Hinz Lücken, um etwa Reinigungsmittel und Toiletten-Zubehör aufzufüllen. Und dann ist da noch das Telefon, das einmal mehr oder weniger klingle.

Eine verantwortungsvolle Aufgabe

Der Arbeitsalltag endet frühstens mit dem letzten Gong des 420 Kilogramm «leichten» Munotglöckchen. Dieses muss 365 Tage im Jahr um 21 Uhr mit einem daran befestigten Lederriemen für 5 Minuten geläutet werden. «Einst waren gar 15 Minuten vorgegeben», sagt Hinz und fügt freudig an: «Ich bekomme regelmässig nach dem Betätigen der Glocke SMS. Darin steht beispielsweise, dass der Glockenschlag heute besonders schön war. Die eine oder andere Person höre sogar heraus, ob ich davor ein Glas Rot- oder Weisswein hatte.» Manche sagen ihr schmunzelnd, man könne ihre Gefühlslage am Klang des Glockenspiels erkennen.

Das Schwierige am Läuten? Es gibt keine Übungsmöglichkeit. Von Anfang an müsse es irgendwie gehen. «Wir sind von der Bevölkerung herzlich aufgenommen worden und haben ein gutes Verhältnis zu den diversen städtischen Stellen. 

Ab Juni starten wir auf dem Munot mit unserem neuen Bistro-Team d’Zinne. Ein regelmässiges Gastroangebot bringt mehrere Vorteile mit sich: Das Team hat einen guten Blick auf den Zinnenbetrieb, Besuchende können sich auf ein Angebot an Getränken und Snacks freuen – und auf Wunsch werden nach unseren Führungen auch Apéros serviert. Ich musste schmunzeln, als meine Jungs an einem sonnigen Tag sagten: Wenn es das Bistro schon gäbe, hätten jetzt alle ein Glacé. Es ist schön zu sehen, wenn die ganze Familie an einem Strang zieht und sich auf das Bevorstehende freut.»

  • Der monumentale Eindruck des Munot ist nur «Fassade». Gegen einen Angriff wäre das militärische Gebäude kaum zu verteidigen gewesen. Ihre Funktion als Schutz der Stadt war nicht wirklich da. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    1 / 7
  • Die Aussicht Richtung Rhein und darüber hinaus ist von der Zinne aus fantastisch. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    2 / 7
  • Mit der bald abgeschlossenen FBA Ausbildung können sie nebst Hirschen weitere Tiere halten. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    3 / 7
  • Sabine Hinz auf der Brücke vor «ihrer» Befestigungsanlage. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    4 / 7
  • Eine von zwei Gribeauval-Kanonen auf der Zinne. Entworfen und eingeführt hat sie Generalleutnant Jean Baptiste Vaquette de Gribeauval am 15. Oktober 1765. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    5 / 7
  • Caspar «Der Glücklose Wächter» vermisst seinen Schlüssel, seine Trompete, Laterne und Flinte. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    6 / 7
  • Die neuen Steine am Boden waren zu rutschig und mussten einzeln aufgeraut werden. Bild: Sandro Zoller, Schaffhausen24
    7 / 7
Sandro Zoller, Schaffhausen24