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Seewis
19.09.2025

Hier fasst man wieder Fuss

Bild: Peter Müller
Wenn man vom Talgrund in Grüsch in Richtung Vilan schaut, so fällt der Blick ganz ungewollt auf einen grossen Gebäudekomplex mitten im Dorf Seewis, die Reha-Klinik. Am letzten Samstag war Festlaune angesagt, feierte diese Institution doch gleich ein doppeltes Jubiläum.

Mit einem würdigen Anlass und viel Sonnenschein, bei welchem das Gesundheitswesen als Ganzes im Fokus stand, nicht ausschliesslich die Rehabilitation, wurden diese Jubiläen begangen. Im Zentrum stand eine Podiumsdiskussion, welche vom SRF-Amerikakorrespondenten und Heimweh-Seewiser, Roger Aebli, moderiert wurde.

Seewis als  «Vorort» von Davos
Vor 150 Jahren wurde das Hotel Kurhaus Seewis eröffnet. Die sonnige Lage und das milde Klima im Prättigau waren mitbestimmend, dass es zu einer Zwischenstation für Lungenkranke auf dem Weg nach Davos wurde. Hier konnten die Pflegebedürftigen eine Ak­klimatisationsphase einlegen, bevor sie in den höher gelegenen Luftkurort zur Erholung weiterfuhren.
Im Zweiten Weltkrieg diente das Kurhaus als Flüchtlingsunterkunft, bevor es 1951 von Johannes und Marie Hitz-Berni erworben und als Hotel weitergeführt wurde. Das Haus wurde knapp zwanzig Jahre später von Hans Gantenbein, Jakob Berger, Hans Reidt und Heinrich Ludwig gekauft und mit der Gründung der «Kurbetrieb Seewis AG» ab 1. August 1970 als Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen, als sogenanntes «Recondition-Center», weitergeführt.
In den nun nachfolgenden 55 Jahren hat sich das einstige Kurhaus zu einem modernen Rehabilitationszentrum entwickelt. Nicht nur bauliche Veränderungen fallen auf; auch das medizinische Spektrum und Angebot wurde erweitert.
Die ursprüngliche kardiologische Ausrichtung wurde in den letzten zwanzig Jahren um die Fachbereiche Psychosomatik, innere Medizin und Onkologie erweitert. Auch im administrativen Bereich folgte man der Zeit – frühere handgeschriebene Krankenakten sind modernen Softwarelösungen gewichen. Und dennoch, der persönliche, familiäre Charakter blieb bis heute bestehen.

Eigenständigkeit und gute Vernetzung
Seit acht Jahren gehört die ­Klinik zur VAMED Schweiz Gruppe, steht so in engem Verbund zu anderen Rehabilitationszentren, hat aber ihre Eigenständigkeit behalten.
Mit rund 130 Mitarbeitenden in verschiedenen Sparten wird für Menschen nach einer Erkrankung oder einem medizinischen Eingriff gesorgt, dass sie möglichst beschwerdefrei in ihren Alltag, ein selbstständiges Leben zurückkehren können. So meint der ärztliche Direktor, Prof. Dr. med. Michele Genoni: «Bei uns geht es nicht nur um medizinische Fortschritte, sondern auch um Zuversicht und Lebensfreude. Wir bieten hoch spezialisierte Rehabilitation und bleiben dennoch ein Haus, das persönliche Nähe grossschreibt.»
Sieht und hört man sich ein wenig um, so ist festzustellen, dass es hier in Seewis in der ganzen Reha-Klinik eine enge Verbindung zwischen Tradition und Moderne gibt, die Verbindung zwischen Fachkompetenz und Menschlichkeit. Geschäftsführer Marco Näf fasst zusammen: «Wir sind stolz auf unsere Geschichte – und noch mehr auf die Menschen, die sie jeden Tag weiterschreiben.»

Herausforderungen im Gesundheitswesen
Neben der Begrüssung durch den ärztlichen Direktor, Prof. Dr. med. Michele Genoni, und den thematischen Vorträgen am Nachmittag stand die vormittägliche Podiumsdiskussion im Zentrum. Regierungsrat Peter Peyer, Professor Markus Furrer, unter anderem Berater für die Chirurgie am Kantonsspital Graubünden, Sanjay Singh von der CSS-Gruppe und Marco Näf, Geschäftsführer der Reha-Klinik, debattierten über die Versorgungs­sicherheit im Gesundheitswesen.
Zwei Schwerpunkte schälten sich schnell einmal heraus. Nicht nur die demografische Entwicklung, in Verbindung mit den deutlich verbesserten medizinischen Möglichkeiten, führt dazu, dass die Kosten für das Gesundheitswesen ansteigen. Auch die zunehmende Spezialisierung im medizinischen Bereich hilft mit, dass die Klientel «gesucht» wird, um die erforderlichen Fallzahlen zu erreichen, was wiederum kostentreibend wirkt. Zudem kämpft das Gesundheitswesen, auch zusammen mit der demografischen Entwicklung, gegen einen stetig zunehmenden Fachkräftemangel. Immer weniger Personal muss sich um immer mehr Menschen, zunehmend ältere Menschen kümmern.
Erschwerend kommt die Anspruchshaltung der Bevölkerung hinzu – hier im Tal vielleicht etwas weniger. Aber in Ballungszentren hört man bald einmal die Aus­-sage: «Dafür habe ich bezahlt, also nehme ich es in Anspruch», auch wenn es nicht unbedingt angezeigt ist.

Zentralisierung oder Dezentralisierung?
Gerade in einem Bergkanton mit weitverzweigten Tälern, so wie dies im Kanton Graubünden Realität ist, stellt sich immer wieder die Frage der Wirtschaftlichkeit und der Zentralisierung. Man kennt den Ausspruch: «Jedem Täli sis Spitäli»; diesen konterte Scherrer mit der Aussage: «Jedem Stedtli sini Spitalbettli.» Schliesslich seien die Ansprüche in den Städten nicht anders.
Peter Peyer wies darauf hin, dass es im Gesundheitswesen nicht nur um Wirtschaftlichkeit gehen darf, Versorgungssicherheit sei ebenso zu beachten. Alle Gesprächsteilnehmer waren sich darin einig, dass das Gesundheitsthema nicht mit übrigen wirtschaftlichen Abläufen und Organisationen verglichen werden kann, denn hier geht es zentral um Menschen und deren Wohlbefinden. Zudem helfe eine Patientenverfügung mit, Unklarheiten am Lebensende zu beseitigen, was schliesslich allen Beteiligten, Familie und medizinischem Personal, hilft, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Bezüglich Kostensenkungsmassnahmen wurde auch immer wieder die Digitalisierung ins Zentrum gerückt. Marco Näf monierte, dass es doch nicht sein könne, dass sich Ärzte, Kliniken und weitere medizinische Fachstellen durch einen Bund von Papierdokumenten kämpfen müssten. «Es ist höchste Zeit, dass das elektronische Patientendossier eingeführt wird», meinte er.

Wie soll es weitergehen
Als Krankenkassenvertreter machte sich Sanjay Singh für präventive Massnahmen stark. Die übrigen Gesprächsteilnehmer pflichteten bei, wobei dies nicht die alleinige Lösung sein könne. Vielmehr seien Vernetzungen und Kompetenzzentren erforderlich, welche eben auch dezentrale Lösungen attraktiv machen. In diesem Zusammenhang ist dem Modell der Telemedizin mehr Beachtung zu schenken.
Und schliesslich sei der heute geltende Leistungskatalog kritisch zu hinterfragen. Denn darin lägen Sparpotenziale verborgen, wenn einige fragwürdige Leistungen nicht mehr über die Grundversorgung abgedeckt werden müssen.
Unisono waren sich alle einig, dass griffige Massnahmen zur Kosteneindämmung nicht einfach zu treffen sind und dass das Selbstbestimmungsrecht des Menschen stets im Vordergrund stehen muss.

Rehabilitationsmassnahmen zum Anfassen
An verschiedenen Standorten präsentierten Mitarbeitende Aspekte von Rehabilitationsmassnahmen. Ganz spannend war es natürlich, ins Innere eines Rettungswagens zu blicken, oder eben etwas über die Psychosomatik, über verschiedene Therapieformen zu hören und zu erfahren. Bei all diesen Informationsständen war die eingangs erwähnte Menschlichkeit, die Empathie, welche durch die Mitarbeitenden der Klinik ausgestrahlt wurde, merklich spürbar.

Der kulinarische  «Seitenwagen»
Natürlich gehört zu einer erfolgreichen Rehabilitation auch die Ernährung. Nebst dem kulinarischen Angebot des Klinik-Restaurants hatte der Bäuerinnenverein eine Festwirtschaft aufgebaut. Bei lüpfiger Musik gab es die traditionellen «Chnödli» und erfrischende Getränke. Nicht wegzudenken sind die verschiedenen verlockenden Kuchenstücke, der dazugehörige Kaffee und das ausgiebige Hengern.

Bild: Peter Müller
Peter Müller