Wie hat sich das System seither etabliert?
Die First-Responder-Gruppen im Prättigau wurden ab Ende 2021 beziehungsweise Anfang 2022 von vorne im Tal (Valzeina, Schuders, Stels, Furna, Conters) gegen talaufwärts (Buchen/Putz/Luzein/Pany, St. Antönien und schliesslich Saas/Serneus und Klosters) rekrutiert und ausgebildet. Dies sind formell freiwillige Laienhelfer, wobei in einigen Gruppen auch Personen sind, die einen medizinischen Beruf ausüben, wie zum Beispiel medizinische Praxisassistentin, Pflegefachfrau oder Rettungssanitäter, ja gar eine Hebamme und zwei Ärzte verstärken das First-Responder-Netzwerk im Prättigau. Sie verkürzen die Hilfsfrist oft markant, da sie kurze Wege haben und sich im Dorf lokal meist gut auskennen. Die professionellen Blaulichtorganisationen (Ambulanz, Dienstarzt und Rega) brauchen wegen der Topografie respektive Distanz oft länger, bis sie am Ereignisort sind.
Welche typischen Einsätze leisten die First Responder im Tal?
Die FR+ werden bei folgenden Einsatz-Stichworten aufgeboten: Leblose Person/Kreislaufstillstand, Bewusstlosigkeit, starke sichtbare Blutung, Brustschmerzen, Atemnot sowie Wärme- oder Kälteschutz. Bei solch einem Einsatz schickt die Sanitätsnotrufzentrale 144 ein Aufgebot auf die Mobiltelefone der entsprechenden FR+-Gruppe. Die alarmierten First Responder melden ihre Verfügbarkeit über die Aufgebotsapplikation Alpine Rescue Mission Control (ARMC)und begeben sich in den Einsatz. Den Patientinnen und Patienten, egal ob Einheimische oder Feriengäste, kommt die schnelle Ersthilfe zugute. Die Zusammenarbeit mit den Rettungsprofis funktioniert, meine ich, sehr gut. Im Prättigau gibt es ca. 25–30 First-Responder-Einsätze pro Jahr, die meisten im Raum Klosters – dies wohl, weil es dort anzahlmässig am meisten Einwohner und Gäste hat.
Welche Rückmeldungen haben Sie in den vergangenen Jahren durch die Bevölkerung erhalten?
Die Einsätze der First Responder werden sehr geschätzt. Meist sind sie die Ersten am Ereignisort, analysieren die Situation und geben der Sanitätsnotrufzentrale 144 eine Rückmeldung, damit allenfalls weitere Mittel aufgeboten werden können. Ersthelfer können entlastet oder angeleitet werden. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass später ab und zu positive Feedbacks gekommen sind.
Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem System in den kommenden Jahren? Sei es in Bezug auf Ausbildung, Rekrutierung, Finanzierung oder Koordination.
Mangelnde Ressourcen (insbesondere der Fachkräftemangel) und strukturelle Veränderungen werden die Gesundheitsversorgungsregionen in den nächsten Jahren herausfordern. Ich vermute, dass die First Responder in den nächsten Jahren eher an Bedeutung gewinnen werden: Sie werden ein wichtiges Glied der Rettungskette bleiben. Es gibt meines Erachtens gute Gründe, die FR+ flächendeckend im Kanton Graubünden zu organisieren, denn auch in scheinbarer Nähe zu einem Ambulanzstützpunkt kann es unter Umständen dauern, bis die Ambulanz vor Ort ist – nämlich dann, wenn das Ambulanzteam bereits an einem anderen Einsatz ist oder mit einer Verlegung in ein anderes Spital beschäftigt ist. Ausbildung und Ausrüstung sind natürlich nicht gratis – hierfür wird vom Kanton Geld gesprochen. Entsprechend dem Leistungsauftrag zwischen dem Kanton Graubünden und der Alpinen Rettung Schweiz obliegt die Organisation und Umsetzung der FR+ der Alpinen Rettung Graubünden. In den Einsatz geschickt werden die FR+ durch die Sanitätsnotrufzentrale des Kantons Graubünden (SNZ 144 GR).