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24.09.2025

First Responder, ein Modell mit Zukunft

Bild: zVg
Vor rund 3½ Jahren wurde im Prättigau das Projekt First Responder Plus (FR+) gestartet. Seither sind speziell ausgebildete Helferinnen und Helfer bei medizinischen Notfällen als Erste vor Ort und leisten lebensrettende Soforthilfe, bis die professionellen Rettungskräfte eintreffen. Dr. Daniel Walter, Arzt in Jenaz und Koordinator des FR+ im Prättigau, zieht im Interview eine erste Zwischenbilanz.

Wie hat sich das System seither etabliert?
Die First-Responder-Gruppen im Prättigau wurden ab Ende 2021 beziehungsweise Anfang 2022 von vorne im Tal (Valzeina, Schuders, Stels, Furna, Conters) gegen talaufwärts (Buchen/Putz/Luzein/Pany, St. Antönien und schliesslich Saas/Serneus und Klosters) rekrutiert und ausgebildet. Dies sind formell freiwillige Laienhelfer, wobei in einigen Gruppen auch Personen sind, die einen medizinischen Beruf ausüben, wie zum Beispiel medizinische Praxisassistentin, Pflegefachfrau oder Rettungssanitäter, ja gar eine Hebamme und zwei Ärzte verstärken das First-Responder-Netzwerk im Prättigau. Sie verkürzen die Hilfsfrist oft markant, da sie kurze Wege haben und sich im Dorf lokal meist gut auskennen. Die professionellen Blaulichtorganisationen (Ambulanz, Dienstarzt und Rega) brauchen wegen der Topografie respektive Distanz oft länger, bis sie am Ereignisort  sind.  

Welche typischen Einsätze leisten die First Responder im Tal?
Die FR+ werden bei folgenden Einsatz-Stichworten aufgeboten: Leblose Person/Kreislaufstillstand, Bewusstlosigkeit, starke sichtbare Blutung, Brustschmerzen, Atemnot sowie Wärme- oder Kälteschutz. Bei solch einem Einsatz schickt die Sanitätsnotrufzentrale 144 ein Aufgebot auf die Mobiltelefone der entsprechenden FR+-Gruppe. Die alarmierten First Responder melden ihre Verfügbarkeit über die Aufgebotsapplikation Alpine Rescue Mission Control (ARMC)und begeben sich in den Einsatz. Den Patientinnen und Patienten, egal ob Einheimische oder Feriengäste, kommt die schnelle Ersthilfe zugute. Die Zusammenarbeit mit den Rettungsprofis funktioniert, meine ich, sehr gut. Im Prättigau gibt es ca. 25–30 First-Responder-Einsätze pro Jahr, die meisten im Raum Klosters – dies wohl, weil es dort anzahlmässig am meisten Einwohner und Gäste hat. 

Welche Rückmeldungen haben Sie in den vergangenen Jahren durch die Bevölkerung erhalten?
Die Einsätze der First Responder werden sehr geschätzt. Meist sind sie die Ersten am Ereignisort, analysieren die Situation und geben der Sanitätsnotrufzentrale 144 eine Rückmeldung, damit allenfalls weitere Mittel aufgeboten werden können. Ersthelfer können entlastet oder angeleitet werden. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass später ab und zu positive Feedbacks gekommen sind. 
Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem System in den kommenden Jahren? Sei es in Bezug auf Ausbildung, Rekrutierung, Finanzierung oder Koordination.
Mangelnde Ressourcen (insbesondere der Fachkräftemangel) und strukturelle Veränderungen werden die Gesundheitsversorgungsregionen in den nächsten Jahren herausfordern. Ich vermute, dass die First Responder in den nächsten Jahren eher an Bedeutung gewinnen werden: Sie werden ein wichtiges Glied der Rettungskette bleiben. Es gibt meines Erachtens gute Gründe, die FR+ flächendeckend im Kanton Graubünden zu organisieren, denn auch in scheinbarer Nähe zu einem Ambulanzstützpunkt kann es unter Umständen dauern, bis die Ambulanz vor Ort ist – nämlich dann, wenn das Ambulanzteam bereits an einem anderen Einsatz ist oder mit einer Verlegung in ein anderes Spital beschäftigt ist. Ausbildung und Ausrüstung sind natürlich nicht gratis – hierfür wird vom Kanton Geld gesprochen. Entsprechend dem Leistungsauftrag zwischen dem Kanton Graubünden und der Alpinen Rettung Schweiz obliegt die Organisation und Umsetzung der FR+ der Alpinen Rettung Graubünden. In den Einsatz geschickt werden die FR+ durch die Sanitätsnotrufzentrale des Kantons Graubünden (SNZ 144 GR).

Alpine Rettung Schweiz

Die Alpine Rettung Schweiz (ARS) ist eine gemeinnützige Stiftung, getragen durch die Schweizerische Rettungsflugwacht Rega und den Schweizer Alpen-Club SAC. 

Sie leistet terrestrische Einsätze für in Not geratene Menschen im alpinen, voralpinen und schwer zugänglichen Gebiet der Schweiz und des angrenzenden Auslands.

Die 84 Rettungsstationen der sieben Regionalvereine sind so über Voralpen, Alpen und Jura verteilt, dass die darin organisierten rund 3400 Retterinnen und Retter in kürzester Zeit einen Einsatzort erreichen können.

Gibt es seit dem Start besondere Einsätze oder Situationen, die beispielhaft zeigen, welchen Unterschied FR+ macht?
Bei einer Reanimation zählt jede Sekunde – gerade da leisten FR+ extrem wertvolle Hilfe, da sie in den lebensrettenden Massnahmen, nämlich Herzdruckmassage und die Anwendung des AEDs (automatisierter externer Defibrillator), geschult sind. Das «Plus» beim FR+ heisst eben, dass auch bei zum Beispiel Atemnot, womöglich bei einem Kleinkind, Hilfe geleistet werden kann – denn auch da bedarf es einer möglichst schnellen Analyse der Situation und eines Öffnens der Atemwege. 

Wie sind die Weiterbildung und der Austausch innerhalb der Gruppen organisiert?
Alle FR+ müssen zumindest alle zwei Jahre einen BLS-AED-Kurs (Basic Life Support, automatisierter externer Defibrillator) besuchen. Einmal jährlich findet ein Zusammenzug aller FR+ statt zum Training der Skills und für Informationsaustausch. Auch innerhalb der Gruppen finden manchmal Übungen statt. 

Könnten Sie sich vorstellen, dass das Modell in Zukunft noch ausgeweitet oder angepasst wird?
Ich denke, dass in der Bevölkerung vorhandene Ressourcen (motivierte Laienhelfende) genutzt werden sollten, um eine rasche medizinische Vororthilfe zu leisten. Dies kann und darf die professionelle Rettung natürlich nicht ersetzen. Die Zusammenarbeit aller Beteiligten soll meines Erachtens gefördert und gepflegt, nicht zuletzt auch wertgeschätzt werden. 

Tanja Egli