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Bewegte Geschichte der Ziegelei

Peter Weibel bei seinem Vortrag.
Peter Weibel bei seinem Vortrag. Bild: zVg
Die Ziegelei Landquart hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich und den Wirtschaftsstandort Landquart über 150 Jahre mitgeprägt. Im Rahmen des Schweizer Vorlesetags fand am Mittwoch in der Bibliothek Landquart und Umgebung zusammen mit Landquart Kultur ein entsprechender Vortrag statt. Peter Weibel, Urenkel des Gründungsvaters Joseph Weibel, entführte die zahlreich anwesenden Besucher auf eine interessante Reise in die Vergangenheit.

Man schrieb das Jahr 1863, als Joseph Weibel von St. Margrethen ins Bündnerland zog und in Seewis-Pardisla eine einfache Handziegelei mit Quadratofen eröffnete. Dieser taktische Schritt erfolgte nicht zufällig: Beim grossen Dorfbrand von Seewis waren im selben Jahr zahlreiche Häuser zerstört worden. Mit seinem Ofen brannte Joseph Weibel in den folgenden Jahren erfolgreich Ziegel für den Wiederaufbau von Seewis. 1867 brannte das Dach des Brennofens nieder und die Arbeiten in Seewis waren weitgehend abgeschlossen. So entschied sich Weibel, mit dem «Rest» seiner Fabrik an den heutigen Standort in Landquart umzuziehen und dort eine moderne Ziegelhütte zu erstellen.

Zahlreiche Verhandlungen

Der Lehmabbau erfolgte zu Beginn direkt vor der «Haustüre» am Ufer der Landquart und weitete sich in den folgenden Jahrzehnten immer weiter in Richtung Igis (Ziegelgut und später in Richtung Schloss Marschlins) aus. Für diese «Schürfrechte» waren zahlreiche und zähe Verhandlungen mit der Grundeigentümerin, dem Domkapitel Chur, erforderlich. In diesem Zusammenhang kamen die «Ziegler Weibel» auch in den unverhofften Besitz des Restaurants «Oberbruck» und des dortigen Landwirtschaftsbetriebs.

Legendäres «Lehmbähnli»

In der Ziegelei erfolgten zahlreiche Erneuerungen und Erweiterungen. Für den Lehmtransport erstellte Weibel eine Lehmbahn mit «Kipploren». Anfänglich wurden diese von Pferden und später von Diesel- und Elektroloks gezogen. Das legendäre «Bähnli» befand sich zuerst entlang der heutigen Hauptstrasse Landquart – Plantahof – Igis und wurde 1930 aufgrund eines tödlichen Unfalls aus Sicherheitsgründen in die Felder der Waldau verlegt (Lidl, Ludwig, Gensetter, Holzschlifi, Turnidor). Apropos tödlicher Unfall: Wie Peter Weibel ausführte, war auch sein Grossvater Carl Weibel bei einem Unfall ums Leben gekommen: Bei der Lehmgrube wurde er im Jahr 1956 von einem rückwärtsfahrenden Lastwagen überfahren. Ein Gedenkstein steht heute beim «Pumptrack» in Igis. Zu grösseren Schäden kam es unter anderem beim Hochwasser der Landquart im Jahr 1910 und beim Brand im Jahr 1952, wo ein Grossteil der Ziegelei zerstört wurde.

Erste Ziegelhütte 1867 in Landquart mit Belegschaft.​ Bild: zVg

Die letzten Jahre

Im Jahr 1984 wurde die Ziegelei Landquart an die Familie Hans Brauchli in Berg (TG) verkauft, welche dort eine ähnlich positionierte Ziegelei betrieb. «Mit diesem strategischen Schritt wollte man unter anderem der übermächtigen Schmidheiny-Gruppe entgegenwirken, die damals viele solche Betriebe aufkaufte und danach schloss», begründete Weibel den Besitzerwechsel. Es folgten weitere Neuerungen und Investitionen. Gleichzeitig wurde aber auch der Druck aus dem Ausland immer grösser, der Brennofen durfte nicht mehr mit Öl betrieben werden und die Gaslösung sorgte für eine unbefriedigende Produktequalität. Dies alles führte dazu, dass die Ziegelei im Jahr 2018 den Betrieb einstellte. Heute werden am Standort Landquart durch die Firmen Lehmling und Cœrdeterre mit modernen 3-D-Druckern verschiedene hochqualitative Lehmprodukte nach Kundenwunsch hergestellt und im Direktverkauf vertrieben.

Ziegelei Landquart nach dem Umzug aus dem Vorderprättigau. Bild: zVg
Marco Schnell